Wir sind nicht schwul (German Edition)

deinen Anruf. Einen schönen Abend noch.“ Mehr als ein Nicken kann ich ihr nicht entgegen bringen. Dafür hat sie sich zu dumm aufgeführt. Auf Wunsch desjenigen hin, der sie gebeten hat, mich aufzusuchen? Wenn es soweit ist und ich für die andere Band arbeiten kann, werde ich mir denjenigen vorknöpfen. Die arme Frau. Strategisch ist das in Japan vielleicht sehr gut und auch höflich so, nur ich stehe wirklich nicht darauf.

    Nachdem die Frau gegangen ist, bleibe ich noch knapp zwei Stunden im Lokal sitzen und schlürfe an meiner Teetasse. Ich werde kein zweites Mal mehr unterbrochen. Zum Schluss bezahle ich einfach und gehe.

Hintergangen

    I ch gehe spazieren.
    Die Sonne ist schon fast untergegangen und die Mütter rufen ihre Kinder von der Straße ins Haus zurück. Es riecht ganz entzückend nach Abgasen und Zitronenmelisse. Den Geruch jenes Krautes werde ich wohl so schnell nicht wieder vergessen. Im Park setze ich mich gleich auf eine der Steinbänke. Sie ist kalt, weil es heute den ganzen Tag über nicht so warm war. Ich habe immer noch keinen Hunger, fällt mir nach einer Weile auf, obwohl ich, seit ich in das Flugzeug gestiegen bin, nur das Curry von gestern gegessen habe … oder war das schon vorgestern? Ich erinnere mich nicht mehr so genau daran. Seufzend reibe ich mir mit der Hand über die Augen und bin froh darüber, dass alle im Park an mir vorbei gehen und mich ignorieren, wie jeden anderen, normalen Menschen auch. Oder ignorieren sie mich vielleicht gerade, weil ich wie ein Ausländer aussehe?
    Die ersten Tage hier dachte ich wirklich, man hat, als mehr oder weniger bekannte Person, absolut kein Privatleben. Das Fräulein heute im Restaurant hat mich zum Glück aufgeklärt und jetzt, wo ich im Park sitze, bemerke ich doch, dass mich nicht jeder erkennt und wenn, dass sie mich artig ignorieren. Ja, ich trage ganz normale Klamotten. Außerdem bin ich nicht so geschminkt, wie bei Konzerten, Interviews, oder sonstigen Auftritten vor der Kamera.

    Finn.
    Warum habe ich mir damals gerade diesen Namen ausgesucht?
    Es war vor drei Jahren, als ich beschlossen habe, mein Leben zu verändern – was ich tatsächlich ganz schnell, ganz krass zustande gebracht habe. Was daraus geworden ist, könnt ihr heute sehen.
    Eine Lüge … eine fette, stinkende, niederträchtige Lüge. Keine Made könnte verlogener sein, als ich.
    Haben Maden überhaupt ein Gehirn?
    Gibt es in Afrika nicht ein Völkchen, das Maden isst? Diese großen, fetten, weißen, angeblich sehr eiweißhaltigen Tiere, die dort lebendig wie Popcorn gefuttert werden … sie würden ja jedes Mal ihr funktionstüchtiges Gehirn mitessen, wenn sie eines hätten. Eeesh! Aber gut, darum geht es hier eigentlich gar nicht.
    Schöner Sonnenuntergang. Der Himmel wird in ein Rotgold getaucht, das in Österreich anders aussehen mag. Man sieht nicht nur den Sonnenuntergang, sondern auch das, was einem wichtig ist, das, worüber man sich am meisten Gedanken macht.
    Ich denke an Hazel und daran, dass ich jetzt gerne mit ihr reden würde.
    Real.
    Nicht über das Internet.
    Nicht mit Hilfe des Spiels.
    Sie hat sich noch nie für mein Leid interessiert und weiß gar nicht, was ich bereits alles durchmachen musste. In der Sache ist sie genauso, wie alle anderen auch, abgesehen davon, dass ich es ihr sowieso nicht erzählt hätte. Chris hatte einmal nachgefragt, aber seit meiner Abfuhr nie wieder. Niemand weiß wirklich, wie dreckig es mir damals gegangen ist.
    Eigentlich ist es nie wirklich besser geworden, ich habe nur gelernt, so damit umzugehen, dass es für mich erträglich ist.
    Während ich so darüber nachdenke, fällt mir ein, dass ich Hazel gar nicht wirklich kennen lernen möchte.
    Nicht in der Realität.
    Ich will nicht erfahren, dass sie eigentlich genauso falsch und verlogen ist, wie alle anderen auch. – Dass sie so ist, wie ich.
    Und schon schweifen meine Gedanken wieder zu Mikage ab. Er ist etwas Besonderes für all jene, die ihn kennen. Für seine Fans, für seine Kollegen, für seine Helferlein, für mich und sicher auch für seine Familie, die niemand kennt.
    Wenn ich ihn doch einmal wieder sehen wollen würde, dann könnte mir wahrscheinlich niemand sagen, wo er zu finden ist.
    Wie alt er wohl ist?
    Sicher nicht älter als ich.
    Oder vielleicht doch?
    Mit der Medizin von heute lässt sich schon so einiges machen.
    Ist Mikage nicht sogar ein Mädchenname?
    Wenn ich ihn wieder sehe, werde ich mich entschuldigen und ihm die eine Karte von meinem