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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Camerons und schlenderten am Strand entlang. Ein ganz normaler Tag.
    Um die Abendessenszeit sagte ich dann, ich müsste jetzt langsam nach Hause. Als wir die Straße entlangliefen, fuhr vor uns ein kleiner Junge mit klappernden Stützrädern auf seinem Rad auf und ab. Ob du dich wohl überhaupt noch daran erinnerst?
    Er sauste ein paarmal an uns vorbei, hielt dann direkt vor uns an und kniff die Augen zusammen.
    »Ich hab dich schon mal hier gesehen«, sagte er zu dir. »Gehörst du nicht nach China?«
    Mich würdigte er nicht mal eines Blickes, doch ich blieb auf einmal stocksteif stehen. Du hast nur den Kopf zur Seite gelegt und mit den Schultern gezuckt.
    »Nö«, hast du geantwortet, als wäre das überhaupt keine große Sache, und dabei einen Finger in die Höhe gestreckt. »Erstens bin ich in Korea geboren, nicht in China.« Ein weiterer Finger. »Zweitens, meine Eltern haben sich mich so sehr gewünscht, dass sie den ganzen weiten Weg bis dorthin auf sich genommen haben, um mich zu holen, was ja auch wohl ein ziemlich guter Grund war, mit ihnen hierherzukommen.« Und noch ein Finger. »Drittens, wie alt bist du?«
    »Sechs«, antwortete der Junge mit großen Augen.
    »Na, bitte«, sagtest du lächelnd. »Dann lebe ich schon mehr als doppelt so lange auf der Insel wie du!«
    Unheimlich viele Leute mussten dich schon behandelt haben, als gehörtest du nicht hierher, wenn dir eine so gute Antwort so leicht über die Lippen kam. Du hattest sicher bereits unzählige Male so tun müssen, als würde dir das nichts ausmachen. Aber in diesem Moment sah ich nur, wie cool und souverän du warst. So wie immer. So wie ich fast nie war, wie sehr ich mich auch bemühte. Ich hatte das natürlich schon hundertmal vorher erlebt. Doch als ich dieses Mal so dastand und dich beobachtete, überkam mich plötzlich der Drang, dich zu küssen.
    Vielleicht wäre der Augenblick einfach vorübergegangen, nur ein kurzer Moment des Verlangens, hätte der Junge anschließend nicht mich angesehen und gefragt: »Und aus welchem Land kommst du ?«
    »Ähm«, antwortete ich. »Ich bin nicht … ich meine, ich bin hier auf der Insel geboren.«
    »Und wenn’s nach mir ginge, würdest du auch nie mehr von hier weggehen«, sagtest du zu mir, als wäre der Junge überhaupt nicht da, und du nahmst meine Hand. Ich ließ zu, dass du mich an ihm vorbeizogst, denn in dem Moment, als deine Finger meine berührten, verflüchtigte sich plötzlich jeder andere Gedanke aus meinem Kopf. Mein Gesicht wurde ganz heiß, und während des ganzen Weges bis zu Onkel Emmetts Haus hatte ich Angst, dich anzusehen, falls du es bemerkt hättest.
    Ich glaube, das hast du nicht. Als wir dort ankamen, hast du meine Hand losgelassen und mich zum Abschied kurz umarmt und gesagt, ich solle ganz oft schreiben und anrufen, so wie immer. Doch für mich war auf einmal alles anders. Ich wollte dich am liebsten gar nicht gehen lassen. Ich wollte glauben, dass dein Herz ein bisschen flatterte, als du dich an der Ecke ein letztes Mal nach mir umsahst, genauso wie meins. Und als ich an jenem Abend die Fähre betrat, hatte ich das Gefühl, irgendetwas in mir würde zerreißen, denn ich wusste, es könnten Monate vergehen, ehe ich dich das nächste Mal sehen würde. Dieses Gefühl hat nie wieder aufgehört, nicht als wir nach Toronto kamen und nicht, als wir wieder hergezogen sind.
    Ich wollte, dass du mehr bist als nur mein bester Freund.
    Vielleicht hätten wir uns gar nicht gestritten, wenn ich nicht so empfunden hätte. Aber am Rande dieser riesigen Highschool, in der all die Stadtkinder tratschten, lachten und flirteten, fragte ich mich langsam immer mehr, ob du dich jemals in ein so seltsames, peinliches Mädchen wie mich verlieben könntest. Jedes Mal, wenn ich mich bei dir über die anderen beklagte, wollte ich von dir hören, dass ich okay bin, so wie ich bin, und dass sie alle bloß langweilige Wichtigtuer sind. Darum hat es auch so weh getan, als du sagtest, es wäre meine eigene Schuld, dass ich mich da nicht eingewöhne.
    Wären meine Gefühle nicht so völlig durcheinander gewesen, dann hätte ich dich vielleicht angerufen, als wir das nächste Mal zu Besuch kamen. Doch allein der Gedanke daran, deine Stimme zu hören, ließ meinen Magen bereits Purzelbäume schlagen, und ich traute mich nicht und redete mir ein, du müsstest dich zuerst entschuldigen.
    Vielleicht hätten wir uns auch wieder vertragen können, als ich drüber weg war und wir zurück auf die Insel gezogen

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