Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
die schon der Vater getragen hat?
Wer die beste Freundin fragt, ein Nachbarskind oder den Lebenspartner, was er oder sie auf diese Fragen antworten würde, wird sehen, die Antworten fallen sehr wahrscheinlich anders als die eigenen aus. Welche Dinge einem am Herzen liegen, mit welchen Gegenständen man sich verbunden fühlt, ist eine sehr individuelle Angelegenheit. So unterschiedlich wie Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Sachen, die sie lieben.
Von Aquarium bis Ukulele – Lieblingsdinge und ihre Funktionen
Mihaly Csikszentmihalyi und Eugene Rochberg-Halton führten 1977 eine Untersuchung durch, die das breite Spektrum von Lieblingsdingen anschaulich dokumentiert. Die Idee der Untersuchung, im Folgenden Chicago-Studie genannt, war simpel. Die Wissenschaftler fragten Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher sozialer Herkunft, welche Dinge im heimischen Umfeld ihnen besonders am Herzen lägen und warum. Erstaunlicherweise war diese nahe liegende Frage bis dahin noch nie wissenschaftlich untersucht worden.
Achtzig Chicagoer Arbeiter- und Mittelschichtfamilien standen dem Forscherteam Rede und Antwort. Pro Familie wurden mindestens ein Kind, die Eltern und wenigstens ein Mitglied der Großelterngeneration befragt, in der Summe 315 Personen im Alter von acht bis über achtzig Jahren. Insgesamt 1694 Lieblingsdinge gaben die Interviewten an, pro Person also durchschnittlich fünf, die die Forscher in 41 Kategorien unterteilten. Am häufigsten wurden Möbel, Bilder, Fotos, Bücher und Stereogeräte genannt. Es tauchten jedoch auch ganz andere Sachen auf: das Aquarium, eine Ukulele, der Fernseher, die Schmetterlingssammlung, ein Paar Pistolen, der Kronleuchter über dem Esstisch, der Toaster in der Küche, ein ausgestopfter Speerfisch über dem Kamin, die ausgelatschten Joggingschuhe. Es scheint fast kein Objekt zu geben, das nicht zum Lieblingsding taugt!
Auch die Begründungen waren sehr unterschiedlich. Eine alte Frau erzählte, sie hänge an einer bestimmten Tasse, weil ihre Großmutter das Stück vor siebzig Jahren aus ihrer Heimat Neufundland extra für sie, die junge Enkelin, mitgebracht hatte. Für einen umweltbewussten Mann stand seine Motorsäge für das Versprechen, eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren, sobald seine Finanzen es ihm erlauben würden. Ein Junge liebte ein Besteckset, weil er mit den gezackten Kanten so schöne Muster ins Essen zaubern konnte. Mehr als drei Dutzend Arten von Gründen identifizierten die Forscher. Andere Untersuchungen bestätigen die Vielzahl der Funktionen, die Dinge für Menschen ausüben. So wertete die Sozialpsychologin Helga Dittmar von der Universität im englischen Sussex Ende der 1980 er Jahre die Angaben von 160 Berufstätigen, Arbeitslosen und Studenten aus und ermittelte 33 unterschiedliche Gründe, warum sie bestimmte Objekte liebten. Ein paar Jahre später befragte der Psychologieprofessor Tilmann Habermas (Sohn des bekannten Philosophen Jürgen Habermas) 186 Medizinstudenten nach Lieblingsdingen und kam auf 35 unterschiedliche Begründungskategorien.
Psychologen unterscheiden grob zwischen der instrumentellen und der symbolischen Funktion, zwei Begriffe, die erst einmal sehr abstrakt klingen, hinter denen aber eigentlich ganz anschauliche Konzepte stecken.
Instrumente: Entspannung, Aktivität und Flow
Ein Instrument ist ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Der Zweck eines Gegenstands kann ganz profan sein: Ein Sessel erlaubt bequemes Sitzen; ein Fön trocknet die Haare. Dinge können aber auch körperliche, künstlerische und intellektuelle Aktivitäten ermöglichen, die Sinne anregen oder der Entspannung dienen. Ein wichtiges Objekt in dieser Kategorie ist der Fernseher. In der Chicago-Studie zählte ihn jeder fünfte Befragte zu den Lieblingsdingen, darunter besonders viele Kinder und Jugendliche, Senioren sowie männliche Teilnehmer. Ihre Begründung: Die Flimmerkiste liefert praktisch auf Knopfdruck Entspannung. Bei kaum einer anderen Beschäftigung könne man so gut abschalten, meinten viele. Allerdings ist es eine Entspannung mit Schattenseiten, denn Fernsehen geht oft mit einem Gefühl der Schläfrigkeit und Reizbarkeit einher, ganz zu schweigen von dem schlechten Gewissen, seine Zeit nutzlos zu verbringen.
Ebenfalls hoch in den Charts der Lieblingsdinge: Sport- und Musikgeräte. Mit dem Skateboard durch die Fußgängerzone zu düsen oder seine Fingerfertigkeit mit einer Chopin-Sonate zu testen, macht nicht nur Spaß.
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