Wir sollen sterben wollen Todes Helfer Ueber den Selbstmord - Warum die Mitwirkung am Suizid verboten werden muss Warum der Staat mit dem neuen Paragraphen 217 StGB die Mitwirkung am Suizid foerdern will
Konstitution.
Daher beschränkt sich die legitime Reichweite der menschlichen Selbstbestimmung auf den Bereich diesseits ihrer physischen Grundlage. Selbstverständlich ist der Mensch faktisch in der Lage, sich selbst zu töten, doch kann er diesen Schritt ethisch eben nicht unter Berufung auf die Selbstbestimmung legitimieren.
Poetischer hat diesen Gedanken der Schriftsteller Reinhold Schneider (1903–1958) in seiner 1947 erschienen Schrift Über den Selbstmord ausgedrückt: »Lassen wir uns nicht täuschen von den Worten unseres Bezirks über einen Bezirk, von dem wir nichts in Erfahrung bringen! Der Entschluss zum Tod ist der Entschluss zu einer ehernen Wirklichkeit. Und ob wir nun glauben oder nicht, das Eine müssten wir uns doch sagen: wir haben kein Recht, das Andere, zu dem wir uns entschließen, ›Schlaf‹ zu nennen. Schlafen: das heißt wieder erwachen. Wir schlafen nur auf fester Erde, gesichertem Grund. Hier aber heben wir den Grund auf – von nun an wird alles ungewiß, ist Unerhörtes, Unausdenkbares möglich.« 29
Die Selbsttötung ist keine mit Blick auf die Autonomie des Menschen ethisch zu rechtfertigende Handlungsweise. Nun ist der Suizid schon seit dem frühen 19. Jahrhundert in Deutschland kein Straftatbestand mehr, denn im Erfolgsfall wäre der Täter nicht mehr am Leben, und im Fall des Scheiterns dürfte eine zusätzliche Bestrafung als unbillig empfunden werden. Anstiftung und Beihilfe zur Selbsttötung sind nach dem deutschen Strafrecht ebenfalls nicht verboten, weil es formal an der strafbaren Haupttat mangelt, sodass Paragraph 26 (Anstiftung) und Paragraph 27 StGB (Beihilfe) nicht greifen.
Wenngleich rechtsdogmatisch vertretbar, ist die Straflosigkeit der Mitwirkung am Suizid verfassungsrechtlich keineswegs zwingend, wie etwa ein Blick nach Österreich zeigt. Dort gilt die Mitwirkung am Selbstmord nämlich als ein eigenständiger Straftatbestand, als »Delictum sui generis«. Paragraph 78 des Österreichischen Strafgesetzbuches lautet: »Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.« Damit ist die Mitwirkung am Suizid im Strafmaß der Tötung auf Verlangen gleichgestellt.
Eine entsprechende Gesetzesinitiative wurde in einem im Mai 2011 erschienenen Positionspapier der Vereinigung Christdemokraten für das Leben (CDL) gefordert. Darin wurde ein neuer Paragraph 217 StGB vorgeschlagen, durch den die Verleitung eines anderen, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe zu leisten, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden würde. Anders als bei anderen Straftatbeständen, bei denen Täter und Gehilfe sich gegen dasselbe Rechtsgut wenden, unterscheidet sich beim Suizid das bedrohte Rechtsgut für Täter und Gehilfen grundsätzlich: Der Suizident zerstört sein eigenes Leben, der Gehilfe das Leben eines anderen. 30
Das Sterbehilfegesetz – ein Gesetzestrojaner
Demgegenüber will die Bundesregierung zu Beginn des Jahres 2013 lediglich die auf Gewinnerzielung ausgerichtete »Gewerbsmäßigkeit« der Suizidbeihilfe verbieten. Dies hatten CDU/CSU und FDP Anfang März 2012 im Koalitionsausschuss beschlossen. Dazu soll ein neuer Tatbestand (Paragraph 217) im Strafgesetzbuch (StGB) geschaffen werden, der ausschließlich die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. 31 Am 29. August 2012 wurde dazu im Bundeskabinett ein Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet, in dem der neue Paragraph wie folgt lautet:
§ 217
Gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung
(1) Wer absichtlich und gewerbsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein nicht gewerbsmäßig handelnder Teilnehmer ist straffrei, wenn der in Absatz 1 genannte andere sein Angehöriger oder eine andere ihm nahestehende Person ist. 32
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begründete den Gesetzentwurf damit, dass Suizidbeihilfe als »Erwerbsmodell« zu einer gewöhnlichen, auf Zuwachs angelegten »Dienstleistung« werden könne: »Menschen könnten dazu verleitet werden, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot vielleicht nicht getan hätten«, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Gerade Alte und Kranke könnten unter Druck geraten, um ihrem Umfeld nicht
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