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Wir toeten nicht jeden

Wir toeten nicht jeden

Titel: Wir toeten nicht jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Salem
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wenn er nicht recht weiß, warum.
    Und Leticia umklammert das Messer, mit dem sie ihren Toast buttert, als wäre es ihr Kriegsbeil, das sie gerade frisch geschliffen zurückbekommen hat.
    »Frühstückst du mit uns?«, fragt Beltrán einladend.
    Ich nicke und krieche vollends aus dem Zelt, nachdem ich mir unpassenderweise wieder das Handtuch um die Hüfte geschlungen habe. Der heiße Kaffee schmeckt köstlich und stimmt mich optimistisch. Das ist aber auch nicht schwer: Denn das Glück ist mir heute hold, weil ich wieder fühlen kann.
    Okay, sie haben Yolanda aus meinem Zelt kommen sehen; aber wenn ich so tue, als wäre nichts, werden sie sicher keine Fragen stellen.
    »Ist sie jetzt deine Freundin, Papi?«, platzt meine Tochter heraus.
    »Wenn sie das nach dem Konzert heute Nacht noch nicht ist, muss in der nächsten der ganze Campingplatz evakuiert werden«, murmelt Leticia bissig.
    Missbilligend zieht der Richter eine Braue hoch, sagt aber nichts, sondern wirft mir nur einen entschuldigenden Blick zu: Frauen! Beltrán gefällt mir. Wobei mir heute Morgen sogar Nummer Zwei gefallen könnte.
    Antoñito will nun mit mir Pläne für den Tag schmieden, aber in weiblicher Eintracht sagen ihm Mutter und Tochter, er solle mich in Ruhe lassen, Papa müsse noch ein bisschen Schlaf nachholen und im Kinderclub gäbe es doch unheimlich viele Aktivitäten für ihn.
    Das Frühstück geht danach seinen geordneten Gang – bis ich oben auf Leticias und Beltráns Zelt Yolandas zerrissenen Tanga wie eine Fahne wehen sehe. Sie haben ihn zum Glück noch nicht entdeckt, denn sie sitzen mit dem Rücken zum Zelt. Wie soll ich es bloß anstellen, ihn unbemerkt von da runterzuholen?
    Eine Viertelstunde später brechen die Kinder zu ihrem anstrengenden Freizeitprogramm auf, und mit ihnen verschwindet die zivilisierte Gelassenheit an unserem Tisch. Der Richter bemerkt es rechtzeitig und verdrückt sich unter irgendeinem Vorwand, nachdem er mich mit einem mitleidsvollen Blick bedacht hat. Ich kann ihn gut verstehen. Es ist eine Sache, es mit Drogenbossen, Terroristen und Mafiosi aufzunehmen, eine ganz andere aber, eine Diskussion mit einer gereizten Leticia zu überleben.
    Denn meine Ex wird nie wütend. Sie wird nur gereizt.
    »Glückwunsch, Juanito«, faucht sie, ihren Becher Kaffee in der Hand. »In einer einzigen Nacht hast du deinen Kindern gleich den Sexualkundestoff von mehreren Jahren beigebracht.«
    Normalerweise hätte sich Juanito Pérez Pérez daraufhin hinter einem Panzer aus schuldbewusstem Schweigen verschanzt.
    Heute nicht.
    »Ich habe höchstens die Lektion vervollständigt, die du ihnen gestern mit dem Richter erteilt hast …«
    Sie wird rot, schlägt aber sofort zurück. » Ich wusste zumindest nicht, dass meine Kinder im Nachbarzelt sind. Vergiss nicht, du hast sie hergebracht …«
    Treffer, versenkt. Ich ändere meine Taktik und versuche sie milde zu stimmen, indem ich mich entschuldige, dass ich nicht daran gedacht habe, aber dass sie doch ein bisschen übertreibt.
    »Ich übertreibe? Ich bezweifle, dass jemand in hundert Metern Umkreis auch nur ein Auge zugemacht hat!«
    Ich will mich wieder entschuldigen, auch wenn das eigentlich gar nicht meinem Empfinden entspricht.
    »So laut waren wir sicher nicht …«, stammele ich.
    »Das heute Nacht war ja gar nicht das Schlimmste, im Dunkeln weiß man schließlich nicht, wo das Gestöhne herkommt. Nein, viel peinlicher war die Nummer, die ihr vorhin geschoben habt, als der ganze Campingplatz schon auf den Beinen war.«
    »Jetzt mach aber mal halblang! Ich glaube nicht, dass irgendjemand …«
    »Es ist so unglaublich schön, mit dir zu vögeln, Juan!«, äfft sie da Yolanda lautstark nach und fügt dann noch etwas leiser hinzu: »Und bitte hol die Fetzen von unserem Zeltdach, das sieht aus wie auf einem Schlachtfeld.«
    Beltrán, der in zwanzig Meter Entfernung gerade mit seinem Handy telefoniert, ist bei ihrem Aufschrei zusammengezuckt und ein Stück weiter weggegangen. Ein kluger Mann, dieser Richter.
    Nach diesem Ausbruch hat Leticia sich aber zum Glück wieder unter Kontrolle.
    »Tut mir leid. Ich finde es ja eigentlich großartig, dass du dein Leben lebst und sich noch junge, hübsche Dinger für dich interessieren, auch wenn sie nicht sonderlich viel Grips im Kopf …«
    »Denkst du das wirklich?!«
    »War bloß ein Scherz.« Leticia legt beruhigend ihre Hand auf meinen Arm. »Auf der Party habe ich mich ein bisschen mit ihr unterhalten, bevor du einen auf Ricky

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