Wir tun es für Geld
doch für einen kurzen Moment weg. Nicht, weil sie es nicht ertragen kann mich anzusehen. Es ist, als müsste sie kurz Zwiesprache mit einem Gott oder irgendeiner anderen unsichtbaren Instanz halten, bevor sie die nächsten Worte sagt.
»Lukas, es tut mir so leid.«
Kein besonderer Satz, aber wie sie ihn ausspricht, leise, doch jedes einzelne Wort so, dass ich es auch noch hören würde, wenn wir auf zwei verschiedenen Kontinenten stünden. Jetzt weine ich wirklich. Die Tränen schießen aus mir heraus wie aus einem Staudamm in einem Katastrophenfilm. Ich sinke an ihre Schulter, sie führt mich zum Sofa. Beim Hinsetzen zerplatzt die Glühbirne in meiner Gesäßtasche.
* * *
Seit einer kleinen Ewigkeit tut Vanessa nichts anderes, als mir zuzuhören, mir Taschentücher zu reichen und meinen Unterarm zu drücken. Ich schluchz-rede ohne Pause, obwohl ich eigentlich nichts anderes sage, als dass ich Ines über alles liebe, aber ihre Liebe verloren habe. Als selbst ich nicht mehr übersehen kann, dass ich mich dauernd wiederhole, gehe ich allmählich dazu über, nur noch »Ich bin so bescheuert« zu sagen. Auch das hört sich Vanessa an. Immer wieder, ohne mich zu unterbrechen oder sonst wie dazwischenzufunken.
»Ich bin so bescheuert. Ich bin soho bescheuhehert. Ich bibin so bebescheuehert…«
Irgendwann kann ich nicht mal das mehr. Das Wort »bescheuert« muss mir ausgegangen sein. Als Kind hat mir meine Großmutter, um mich still zu kriegen, immer weisgemacht, dass man nur einen beschränkten Vorrat von Wörtern im Leben hat. Später habe ich ihr vorgeworfen, dass man Kindern nicht einfach so Angst machen darf. Jetzt merke ich, dass sie recht hatte.
»Ich bin so b…, so b…, soho b…«
Ich verstumme wie ein Traktormotor, dem allmählich das Benzin ausgeht. Vanessa hört selbst dann noch zu, als ich nur noch in einem getragenen Zickzackrhythmus aufschluchze. Sogar als ich ganz still bin, hört sie noch ein wenig der Stille zu. Nach einer kleinen Ewigkeit strafft sie sich und spricht, mehr in die Luft als zu mir. Sie denkt laut, aber ich verstehe nicht, was sie sagt. Währenddessen drückt sie weiter meinen Arm. Irgendwann sind wir beide still. Während ich mich nach meinem Heulkonzert wieder ganz gut durchblutet fühle, scheint nun auf einmal Vanessa ein Geist geworden zu sein. Sie starrt ins Leere.
»Van… essa?«
Sie sieht mich an, und ohne dass einer von uns ein Wort sprechen muss, vollziehen wir das Ende von etwas, über das wir längst den Überblick verloren haben. Es dauert nicht lang. Sie atmet schnell ein, klatscht mit den Handflächen auf ihre Oberschenkel und steht auf.
Ich stehe auch auf. Sie umarmt mich für einen kurzen Moment und drückt dabei ihr Gesicht in meine Haare. Das hat sie noch nie getan. Dann dreht sie sich um und geht mit ebenso entschlossenen wie sexy Schritten zur Tür.
»Du hast irgendwas vor, Vanessa?«
»Kümmer dich nicht drum.«
Die Tür geht leise hinter ihr zu, danach ist alles still.
Hosennaht
»Nicht zu viel Koriander, Ekkehart. Der darf auf keinen Fall dominieren.«
»Was du alles weißt.«
Mal sehen. Mit etwas Glück wird es fast so gut wie bei meinem Express-Kochen gestern, bei dem am Ende leider alles ungegessen im Müll landete, weil, na ja… Heute habe ich mich sogar rechtzeitig um die 40-Watt-Birne gekümmert. Etwas funzelig, das Licht, aber wenn Ines jetzt gleich noch die Kerzen aufstellt, wird es prima. Ekkehart hat eine neue audiophile Kostbarkeit mitgebracht: Friday Night in San Francisco. Die Meister des Lichtgeschwindigkeitsgitarrenspiels Al Di Meola, John McLaughlin und Paco de Lucia beim Schwanzvergleich. Hab ich damals mit 17 gehört, aber warum nicht.
»Was ist los mit euch? Ihr seid so schweigsam.«
»Och, nichts, Ekkehart. Wir haben halt anstrengende Jobs.«
»Ihr Armen, aber gleich geht es euch besser. Das wird das beste Essen, das ich je gekocht habe.«
»Stopp mit dem Salz, Ekkehart!«
»Oh, ich muss mich besser konzentrieren… Wisst ihr, was ich uns für einen Film für nachher ausgesucht habe?«
»Erzähl.«
»Green Card.«
…
» G … Green Card?«
»Ja, wisst ihr, das ist eine ganz reizende Geschichte. Spielt in New York. Eine schöne Amerikanerin will eine Wohnung, die sie nur kriegt, wenn sie verheiratet ist, und ein französischer Musiker will die Greencard, die er nur kriegt, wenn er eine Amerikanerin heiratet. Und stellt euch vor, was sie machen: Sie heiraten zum Schein! Versteht ihr? Einfach so, ohne ein
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