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Wir wollen Freiheit

Wir wollen Freiheit

Titel: Wir wollen Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gerlach
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Liberale und sogar einige Islamisten zugehörig fühlen. Ähnlich wie später auf Facebook stehen hier verschiedene Diskurse nebeneinander und jeder kann sich wiederfinden. Am 12.   Dezember 2004 versammeln sich rund 700   Aktivisten auf den Stufen des Hohen Gerichts. Sie haben sich den Mund mit gelben
Kifaya -
Stickern verklebt. Das Bild dieser Demonstration geht um die Welt, auch, weil hier zum ersten Mal die Forderung »Mubarak hau ab!« gestellt wird. »Es war meine erste Demo«, erzählt Ahmed Maher, der später die Jugendbewegung des
6.   April
mitbegründet und zu den Strategen der Revolution gehört. »Zunächst fühlte ich mich allein und habe nur geguckt, aber schnell gehörte ich dazu«, beschreibt er. Kurz darauf wird Ayman Nour, der Gründer der »Al Ghad   – Morgen«-Partei verhaftet. Ihm wird Betrug beim Sammeln der Unterschriften für die Gründung seiner Partei vorgeworfen. Seine Verhaftung führt zu Protesten sogar aus Washington. |84| U S-Außenministerin Condoleeza Rice sagt eine geplante Reise nach Ägypten ab. Auch sonst bekommt dieser vorsichtige Frühling von Kairo viel Unterstützung aus den USA.   Nach der katastrophalen Bilanz des Kriegs im Irak und des Kampfs gegen den Terrorismus hat sich die Regierung von Georges W.   Bush die Demokratisierung der Arabischen Welt auf die Fahnen geschrieben. Mit Druck auf die Diktatoren der Region und Förderung der Oppositionsbewegungen zwischen Abu Dhabi und Rabat soll die Arabische Welt nach westlichem Vorbild umgewälzt werden.
    »Ich bin in dieser Zeit einmal mit Präsident Mubarak nach Amerika gereist. Es war erstaunlich. Uns hatte man vorher gesagt, dass es sich um einen offiziellen Staatsbesuch handle, aber dann wurde der Präsident nicht im Weißen Haus empfangen. Das hätte Bush auch nicht gut seinen Landsleuten verkaufen können, dass er erst mit großen Opfern einen arabischen Diktator verjagt und dann als Nächstes einen mit Handschlag im Weißen Haus begrüßt. Also wurden wir auf die Ranch nach Crawford gebracht und es waren zum Teil sehr harte Diskussionen, die dort geführt wurden. Der Druck war groß«, erinnert sich die Moderatorin Schahira Amin. Wie stark dieser Druck 2005 war, wurde ihr erst klar, als sie 2009 wieder nach Washington reiste: Da wurde Mubarak mit großer Herzlichkeit von Präsident Barack Obama empfangen, selbstverständlich im Weißen Haus.
     
    Eine wichtige Rolle spielt auch der Satellitensender
Al Dschasira
. Mit liebevoller Berichterstattung über Proteste und Protestchen päppelt der Sender aus Qatar regelrecht den ägyptischen Frühling. Oppositionspolitiker und Kritiker der Regierung Mubarak kommen ausführlich zu Wort.
    Präsident Mubarak gibt dem Druck scheinbar nach und kündigt an, Gegenkandidaten zur Präsidentschaftswahl zuzulassen. Am 25.   Mai 2005 wird über diese Verfassungsänderung |85| abgestimmt.
Kifaya
feiert den Erfolg, ruft aber gleich zur nächsten Demo auf. So bleibt dieser 25.   Mai vielen in krasser Erinnerung. Zivilpolizisten prügeln brutal und reißen Frauen die Kleider vom Leib. »Diese Demonstration war für mich der Punkt, wo ich angefangen habe, mich zu engagieren«, erzählt Mohammed Adel, der auch zu den Gründern der
6.   April
-Bewegung gehört. Vorher war er bei den
Muslimbrüdern
, fand aber, dass die Führung zu inaktiv auf die Ereignisse reagierte: »Die Brutalität des Regimes brachte mich dazu, mich
Kifaya
anzuschließen, wo ich über ideologische Grenzen hinweg mit anderen zusammen arbeiten konnte. Auf unser gemeinsames großes Ziel hin«, sagt er.
    Im September 2005 wird gewählt. Außer Ayman Nur fordern noch weitere neun Kandidaten Hosni Mubarak heraus. Er wird dennoch mit satten 88,8   Prozent für eine fünfte Amtszeit gewählt und schreibt sich seitdem auf die Fahnen, dass er es war, der in Ägypten echte Wahlen mit mehreren Kandidaten eingeführt hat. Am Tag der Vereidigung organisiert
Kifaya
eine große Demonstration: »6   Millionen sagten ja, 70   Millionen nein!«, so ihr Slogan. Sie spielen damit auf die Wahlbeteiligung an. Weniger als 7   Millionen Ägypter kamen an die Urnen.
    Zwei Monate später wird ein neues Parlament gewählt. Es ist das Ende des politischen Frühlings: Die Regierung fälscht die Wahlen und unterdrückt die Opposition fast so wie bisher. Dennoch gewinnen die
Muslimbrüder
rund 20   Prozent der Sitze. Die
Bruderschaft
ist zwar offiziell in Ägypten verboten, sie beteiligt sich jedoch mit unabhängigen Kandidaten an den

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