Wir Wunderkinder
begann, konnte nicht traurig enden.
Wir tranken im Chinesischen Turm, der ein sehr ähnlicher Kollege seines Münchner Namensvetters war, das gute, starke dänische Bier – »Dein künftischer Schwiegerpapa ist sehr in diesem Biere beschäftischt«, sagte Kirsten – und sahen den lichtgrünen Sommernachtshimmel rot werden vom Feuerwerkszauber.
Schmale weiße Mädchen tanzten auf dem Seil, wir juckten uns teilnehmend in einem Flohzirkus, und in einer Schießbude begrüßte Kirsten einen soignierten älteren Herrn, der nach Papierrosen schoß, derart stürmisch, daß sich leichte Eifersuchtsgefühle in mir regten.
»Es ist Herr Pedersen, unser Hotelportier«, flüsterte die Gillelejesche mir zu.
Ich wurde vorgestellt. Herr Pedersen sprach ein tadelloses, leicht säuselndes Deutsch und lud uns ein, mit ihm und samt unseren Koffern in einem Taxi ins Hotel zu fahren.
»Wie wird denn das mit dem Bezahlen?« flüsterte ich meinem Mädchen deutsch-standesbewußt zu.
»Er hat uns eingeladen«, sagte Kirsten. »Er ist ein vollendeter Kavalier.«
So fuhren wir mit unserem Kavaliersportier über nächtliche Plätze mit leuchtenden Uhren und einem wohltönenden Glockenspiel und durch endlose Straßen, an farbigen Lichtreklamen entlang. Noch in der Nacht wirkte alles heiter, und selbst die Särge in den entsprechenden Geschäften waren freundlich weiß und nannten sich sehr schnurrig ›Ligkiste‹.
Wir schliefen, wie meistens in München, Wand an Wand in einem behaglichen Hotelchen, darin man das Meer fernher rauschen hörte und zu später, stiller Stunde das melodische Seufzen der Heulbojen vor der Hafeneinfahrt. Am nächsten Morgen bekamen wir, statt der einheimischen Kanonen, gute dänische Butter aufs Brot, köstliches Blätterteiggebäck und von Herrn Portier Pedersen das Anerbieten, uns kostenlos zwei Fahrräder zu leihen und ein Radiogerät aufs Zimmer zu stellen.
»Sie werden Ihre Heimat empfangen können«, sagte er in seinem leicht gezierten Deutsch.
»Eben das nicht!« sagte ich mit dankender Ablehnung.
Den ersten Morgenspaziergang machten wir im Umkreis des Hotels, durch Straßen mit altmodischen kleinen Villen, die in gepflegten Gärten standen und als beliebtesten Schmuck Sonnenuhren aufwiesen. Die meisten Villenstraßen endeten am Meer, das immer noch Sizilien spielte.
»Dieses ist der Oeresund«, erklärte Kirsten, »und dieses drüben die schwedische Küste.«
Zwischen den Ländern war ein sommerliches Osterspaziergangsgewimmel von Segelbooten, Luxusjachten, weißen Passagierschiffen und schwer stampfenden, schwarz dampfenden Handelsschiffen mit den Flaggen aller Nationalitäten.
Mit den Worten: »Nun ist es Sseit, im Hotel den Papa ssu erwarten«, entzog mich Kirsten jäh dem glücklichen Schauen, um mich einem leisen Magenweh auszuliefern. Man muß sich daran gewöhnen, Schwiegervätern zum Fraße vorgeworfen zu werden.
Der alte Herr fraß mich nicht. Er war klein und rundlich und hatte humorvoll blinkernde Augen. Wir gingen vorsichtig katzbuckelnd aufeinander zu, wie zwei mißtrauische Kater auf dem Dachfirst, und versicherten bei der Vorstellung, daß sie uns sehr angenehm sei, was zunächst nicht der Wahrheit entsprach.
»Trinken wir erst einen Ssnaps auf den S-schrecken«, sagte der alte Herr Hansen, dessen Tochter ich diesen seltenen dänischen Namen zu rauben gedachte.
Beim dritten Aquavit waren wir alle fröhlicher. Dennoch ordnete Herr Hansen bei Herrn Portier Pedersen an, daß ich für die kommende Nacht in der ›Dépendance‹, einer türmchenbehafteten Villa auf der gegenüberliegenden Straßenseite, untergebracht würde, wie es der Schicklichkeit entspräche. Als er dies tat, blinzelten Kirsten und ich einander verständnisinnig zu.
Dieser Kopenhagener Tag mit dem liebenswürdigen alten Herrn – gar so alt war Vater Hansen nicht einmal, nur sein angenehmes Bäuchlein verlieh ihm eine gewisse Altersvorgabe – wurde in jeder Beziehung erlesen.
Wie sanft geölt floß das Leben in der wunderschönen Hauptstadt der kleinen königlichen Demokratie dahin!
Hier wurde nicht unentwegt politisches Porzellan zerschlagen, und was als königliche Garde mit Bärenfellmützen und roten Fräcken durch die Stadt marschierte, gehörte durchaus in die Abteilung Spielwaren oder in eine Ausgabe von Andersens Märchen.
Diesem großen dänischen Poeten, der im Rosenborgslotpark auf einem Denkmalsstuhl saß, erwiesen wir unsere Reverenz. Eine lebendige Möwe auf seinem schmalen, hohen Haupte
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