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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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musste nachdenken“, sagt Ri.
    Ri hört, wie ihre Mutter am anderen Ende der Leitung anfängt zu weinen, kleine, unterdrückte Schluchzer.
    „Ich bin ja so froh“, stammelt sie. „Dir geht es gut. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“
    Dann wird das Schluchzen lauter.
    „Mama, was ist denn?“ Jetzt ist es Ri, die sich Sorgen macht. „Mir geht es gut. Ist mit dir alles okay?“
    „Ich bin im Krankenhaus.“
    „Was?“, schreit Ri erschrocken auf.
    Die Stimme ihrer Mutter ringt um Fassung. Das kann Ri deutlich spüren.
    „Dein Vater hatte gestern Nacht einen Herzinfarkt.“
    „Was?“ Ri kann nicht glauben, was sie hört.
    Wieder schlägt ihr das Schluchzen entgegen.
    „Mama?“
    Keine Antwort.
    „Mama? Wo bist du jetzt?“, fragt Ri langsam und bestimmt.
    „Im Krankenhaus“, stammelt ihre Mutter verwirrt.
    „In welchem?“, fragt Ri geduldig, als wäre sie die Mutter und nicht umgekehrt.
    „Im Westendkrankenhaus.“
    „Ich komme sofort, hörst du, Mama?“
    Wieder keine Antwort.
    „Ich versuche, so schnell wie möglich da zu sein, okay?“
    „Ja.“
    „Mama?“
    „Ja?“
    „Ist Papa okay?“
    „Auf der Intensivstation“, sagt Ris Mutter unter Tränen.
    „Dann bis gleich Mama.“
    Ri legt auf.
    „Was ist denn los?“, Ben schaut Ri fragend an, die gar nicht wirklich da ist.
    „Ich muss gleich los“, sagt sie. „Mein Vater hatte letzte Nacht einen Herzinfarkt.“
    „Was?“
    Aber Ri hört ihn gar nicht. Völlig durcheinander steht sie auf.
    „Ich muss mich anziehen“, sagt sie leise, mehr zu sich selbst.
    „Ich bring dich hin“, sagt Ben.
    Da kommt Micha in die Küche zurück. „Was ist denn mit euch los? Ihr seht ja wie zwei begossene Pudel aus.“ Verwundert blickt er von einem zum anderen.
    „Ris Vater hatte einen Herzinfarkt. Kann ich den Wagen haben, um sie ins Krankenhaus zu fahren?“
    „’türlich.“
    Ri huscht ins Bad, wo sie schnell in ihre Klamotten schlüpft. Dann eilt sie in Bens Zimmer, greift ihre Tasche und läuft zu Ben, der schon an der Wohnungstür auf sie wartet.
    Die Gemütlichkeit und Micha lassen sie zurück.
    „Ben?“, flüstert Ri im Treppenhaus. „Warum darf ich nie nur glücklich sein?“
    Zärtlich nimmt Ben sie bei der Hand. Wie an dem Tag, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Stumm steigen sie die vielen Treppen hinunter.

Im Westendkrankenhaus
    Eisige Luft schlägt Ri entgegen, als sie die Autotür auf dem Parkplatz des Krankenhauses öffnet. Selbst zum Schneien ist es heute zu kalt. Nichts schützt, nicht der dicke Mantel, die Wollmütze oder der lange Schal. Ri friert am ganzen Körper. Sie zittert, ihre dünnen Finger und Nägel sind hellblau.
    Ben führt Ri durch die kahlen Korridore und Treppenhäuser. Höflich fragt er bei vorbeihuschenden Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten nach dem Weg.
    An seiner Seite fühlt sich Ri sicher. Selbst jetzt, als sie den schmalen langen Seitenflügel entlanggehen, an dessen Ende Ris Mutter steht und ihnen entgegensieht. Ihre Schritte hallen von den hohen Wänden wider. Ri besieht sich die gewölbte Decke. Wie in einer Kirche, denkt sie.
    „Ben?“
    „Hallo, Frau Lehmann.“
    Ben lächelt und gibt Ris Mutter, die ihn erstaunt anblickt, so, als wäre er eine Luftspiegelung, förmlich die Hand.
    „Dann stimmt es also doch“, murmelt sie, während sie Ri zur Begrüßung umarmt.
    Ri erschrickt. Ihre starke, große Mutter fühlt sich plötzlich so schwach und zerbrechlich an. Ihre sonst so rosigen Wangen sind eingefallen und ihre Augen sehen müde aus vom vielen Weinen. Wann war sie so alt geworden? Eine Ahnung von Vergänglichkeit beschleicht Ri. Bald kehrt sich alles um, denkt sie. Dann wird es Ri sein, die im Leben steht und ihre Mutter diejenige, die Hilfe benötigt.
    „Was stimmt doch?“, fragt Ri weniger aus Neugier, als um von dem Gefühl abzulenken, dass sie gerade so überrumpelt.
    „Dass Ben wieder hier ist“, antwortet Ris Mutter, deren Blick immer noch auf Ben ruht, auf seinen blauen Augen.
    „Woher hast du das denn gewusst?“, fragt Ri erstaunt.
    „Von Belinda.“
    „Von Belinda?“
    Ri kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
    „Na, als du gestern nicht nach Hause kamst, habe ich Belinda angerufen, weil ich mir Sorgen gemacht habe.“
    Trotzig hält Ri dem vorwurfsvollen Blick ihrer Mutter stand.
    „Sie meinte, sie wisse nur, dass Ben wieder in der Stadt sei und du nach ihm suchen wolltest.“
    „So ist es“, mischt sich jetzt Ben höflich ein, um den leise aufkeimenden

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