Wirbelsturm
Armstrong zu erfahren. Aber George Talbot hatte nur gesagt: »Ach, er ist eigentlich ganz ordentlich, und wir würden es schätzen, wenn Sie ihn mitnehmen und ihm, äh, nicht zu viele Fragen stellen. Sie bleiben doch zum Essen, nicht wahr? Wir haben noch tiefgekühlte Seezunge, massenhaft Kaviar und geräucherten Lachs, wenn Sie Appetit darauf haben. Dann gibt es auch Schokoladepudding oder Kirschdessert. Die ganze Welt mag in Flammen stehen, aber wenigstens können wir wie Gentlemen zusehen, wie sie brennt.«
Es war ein ausgezeichneter Lunch gewesen. »Wenn Bachtiar jetzt für Bazargan und Khomeini das Feld räumt«, hatte Talbot gemeint, »wird das größeres Unheil verhüten. Nun, da ein Coup unwahrscheinlich geworden ist, dürfte sich alles wieder normalisieren – früher oder später.«
»Was verstehen Sie unter ›früher oder später‹?«
»Wenn denen, wer immer sie sein mögen, die Munition ausgeht. Aber das ist natürlich nur meine Meinung. Wichtig ist aber, was Khomeini denkt, und nur Gott weiß, was er denkt.«
Gavallan erinnerte sich an das schrille Gelächter, das Talbot seinem Scherz nachgeschickt hatte, und lächelte.
»Hm?« fragte McIver.
»Ich mußte an Talbot beim Lunch denken.«
Der sich nähernde Wagen war nur noch 100 Meter entfernt. »Talbot verbirgt einen ganzen Berg von Geheimnissen. Was glaubst du, worüber Armstrong ›plaudern‹ möchte?«
»Vermutlich will er uns noch mehr zum Narren halten – schließlich sind wir doch zur Botschaft gegangen, um uns über ihn zu erkundigen. Sonderbar! Für gewöhnlich vergesse ich niemand … Hongkong? Es wird mir schon wieder einfallen. Eines muß ich ihm zugestehen: Er ist pünktlich. Ich sagte 5 Uhr, und er war da.« Gavallans Augenlider zuckten unter seinen dichten Augenbrauen. Er wandte sein Interesse wieder dem Wagen zu, der draußen stehengeblieben war. »Eins ist mal sicher: Er wollte unter keinen Umständen mit unserem freundlichen Komitee zusammentreffen. Warum wohl?«
Das Komitee bestand aus zwei bewaffneten jungen Männern, einem Mullah – nicht der vom Vortag – und Sabolir, dem schwitzenden, immer noch sehr nervösen Beamten der Einwanderungsbehörde.
»Guten Abend, Exzellenzen«, sagte McIver, während sein Geruchssinn sich gegen den Schweißgeruch empörte. »Dürfen wir Ihnen Tee anbieten?«
»Nein, nein, danke«, antwortete Sabolir. Er war immer noch auf der Hut, obwohl er sich bemühte, seine Gefühle unter einer Maske von Arroganz zu verbergen. Er setzte sich auf den besten Stuhl. »Wir haben neue Vorschriften für Sie.«
»Ach ja?« McIver hatte schon einige Jahre mit ihm zu tun gehabt, hatte ihn gelegentlich mit einer Kiste Whisky oder auch mit ein paar Kanistern Benzin versorgt. Auch hatte er ihm von Zeit zu Zeit Gratisflüge für die ganze Familie mit Unterbringung in Ferienorten am Kaspischen Meer verschafft: Wir haben für einige unserer Direktoren Zimmer bestellt, aber nun können sie nicht kommen. Wäre doch schade, die Reservierungen verfallen zu lassen, nicht wahr, mein lieber Mr. Sabolir? Einmal hatte er auch einen Wochenendflug für zwei Personen nach Dubai arrangiert. Das Mädchen war jung und sehr hübsch gewesen. »Was können wir für Sie tun?«
Zu ihrer Überraschung holte Sabolir Gavallans Paß und die übrigen Dokumente heraus und legte sie auf den Tisch. »Hier sind Ihr Paß und die Papiere. Genehmigt«, fügte er mit öliger Stimme hinzu. »Der Imam hat angeordnet, sofort wieder mit den normalen Operationen zu beginnen. Der, äh, islamische Staat Iran ist zu normalen Zuständen zurückgekehrt und der Flughafen in, äh, drei Tagen wieder für den normalen, vorher vereinbarten Verkehr geöffnet. Sie können jetzt Ihre Tätigkeit normalisieren.«
»Fangen wir auch mit dem Training der iranischen Luftwaffe wieder an?« erkundigte sich McIver, dem es schwerfiel, seine Freude und Genugtuung zu verbergen, denn dies war ein sehr wichtiger und sehr einträglicher Kontrakt.
»Nein«, antwortete der Mullah in gutem Englisch. »Nein. Solange der Imam oder das Islamische Revolutionäre Komitee nicht seine Einwilligung gibt. Ich werde mich darum kümmern, daß Sie eine verbindliche Antwort erhalten. Mittlerweile können Sie damit beginnen, Ersatzteile für Ihre Basen zu fliegen und mit Vertragsflügen IranOil bei der Wiederaufnahme der Produktion zu unterstützen, ebenso auch Iran Timber und so weiter, vorausgesetzt, die Flüge werden vorher vereinbart. Übermorgen können Sie
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