Wirbelsturm
mehr auf das Telefonnetz verlassen können, und in den letzten Wochen war es beinahe vollkommen zusammengebrochen. »Wetten, daß jemand eine Rechnung anmahnt?« sagte Pettikin grinsend zu Genny, die aus der Küche gelaufen kam, weil das Klingeln sie aufgeschreckt hatte.
»Das ist zu ernst für eine Wette, Charlie.« Die Banken waren seit zwei Monaten auf Khomeinis Aufruf zum Generalstreik hin geschlossen.
McIver hob ab. »Hallo.«
»Mein Gott, das Ding funktioniert«, sagte eine Stimme. »Können Sie mich hören, Duncan?«
»Ja, gerade noch. Wer spricht?«
»Talbot, George Talbot von der Britischen Botschaft. Es tut mir leid, aber es wird langsam brenzlig. Khomeini hat Mehdi Bazargan zum Ministerpräsidenten ernannt und verlangt, daß Bachtiar zurücktritt, sonst … Im Augenblick ist eine Million Menschen in den Straßen von Teheran unterwegs, um irgend etwas anzuzetteln. Wir haben gerade erfahren, daß die Flieger in Doschan Tappeh revoltieren, und Bachtiar hat erklärt, daß er die Unsterblichen hinschickt, wenn sie nicht nachgeben.« Die Unsterblichen waren eine Eliteeinheit der dem Schah bis in den Tod ergebenen Kaiserlichen Garde. »Die Regierung Ihrer Majestät wie auch die Regierungen der USA, Kanadas und alle anderen raten ihren sämtlichen entbehrlichen Staatsangehörigen, das Land sofort zu verlassen …«
McIver versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und murmelte den anderen zu: »Talbot von der Botschaft.«
»Gestern wurden ein Amerikaner namens Stanson von ExTexOil und ein iranischer Ölfachmann im Südwesten in der Nähe von Ahwas von ›nicht identifizierten Bewaffneten‹ überfallen und getötet. Sie arbeiten doch noch dort unten, nicht wahr?«
»In der Nähe, bei Bandar-Delam an der Küste.« McIvers Stimme blieb ruhig. »Wie viele britische Staatsangehörige haben Sie hier, Angehörige ausgenommen?«
McIver überlegte kurz. »Etwa 45. Insgesamt beschäftigen wir 67 Leute, nämlich 26 Piloten, 36 Mechaniker, fünf Bürokräfte. Wir geben alle als Briten aus, wenn es sich als notwendig erweist.«
»Was sind die anderen?«
»Amerikaner, Deutsche, ein Finne.«
»Angehörige?«
»Vier, alles Frauen, keine Kinder. Wir haben die übrigen vor drei Wochen nach Hause geschickt. Genny ist noch hier, eine Amerikanerin in Kowiss und zwei Iranerinnen.«
»Verschafft den beiden iranischen Frauen so rasch wie möglich neue Pässe!« Laut iranischem Gesetz mußten alle iranischen Staatsbürger, die in das Land zurückkehrten, bei der Einreise ihre Pässe der Einwanderungsbehörde aushändigen. Wollten sie wieder ausreisen, mußten sie persönlich um eine Ausreiseerlaubnis ansuchen, und es dauerte Tage, oft Wochen, bis sie sie erhielten.
»Wir können Gott dafür danken, daß wir Briten sind«, fuhr Talbot fort. »Zum Glück haben wir weder mit dem Ayatollah noch mit Bachtiar oder den Generälen Differenzen. Dennoch können alle Ausländer in Schwierigkeiten geraten. Deshalb raten wir Ihnen formell, die Angehörigen möglichst rasch wegzuschicken und das Personal auf ein Minimum zu reduzieren – jedenfalls vorläufig. Ab morgen wird auf dem Flughafen ein wüstes Durcheinander herrschen. Wir schätzen, daß sich noch etwa 5.000 Ausländer im Land befinden, hauptsächlich Amerikaner, aber wir haben British Airways gebeten, zu kooperieren und mehr Flüge für uns und unsere Staatsangehörigen einzuschieben. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, daß die zivilen Fluglotsen noch immer streiken. Bachtiar hat zwar die Fluglotsen der Luftwaffe eingesetzt, aber die sind sicher noch pedantischer. Wir befürchten, daß es genauso wird wie beim Exodus.«
»Du meine Güte!«
Wenige Wochen zuvor, nachdem die Drohungen gegen Ausländer monatelang eskaliert hatten, geriet in der Industriestadt Isfahan der Mob außer Rand und Band, setzte Banken in Brand – der Koran verbietet, Geld gegen Zinsen zu verleihen – Spirituosengeschäfte –, der Koran verbietet den Genuß von Alkohol – und zwei Kinos – angeblich Orte der Pornographie und der westlichen Propaganda, immer schon die Lieblingsziele der Fundamentalisten. Die Menge griff dann Fabriken an, warf Molotow-Cocktails in die vierstöckige Zentrale von Grumman Aircraft und legte sie in Schutt und Asche. Diese Vorgänge hatten den Exodus ausgelöst.
Tausende von Ausländern strömten zum Flughafen von Teheran, kämpften um die wenigen freien Plätze, ließen das Flughafengebäude wie ein Katastrophengebiet erscheinen, in dem Männer, Frauen
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