Wirbelsturm
»Schon gut, schon gut«, brummte er und marschierte mit grimmigem Gesicht auf sein Büro zu.
Dort standen Nitchak Khan, der Kalandar des Dorfes, und der alte Mullah hinter dem Schreibtisch mit dem Rücken zur Wand neben dem offenen Fenster. Er begrüßte sie, und sie nickten mit unbewegtem Gesicht. Hinter ihm drängten sich viele hezbollahis nach Nasiri in den Raum.
»Was geht hier vor, Kalandar?« fragte Scot.
»Diese Männer sind … sie behaupten, unser neues Komitee zu sein«, antwortete Nitchak Khan mit einiger Mühe. »Sie wurden aus Scharpur hierher geschickt, um unser … unser Dorf und unseren Flugplatz zu übernehmen.«
Scot war verwirrt. Was der Dorfvorsteher da sagte, ergab keinen Sinn. Zwar war Scharpur die nächstgelegene Stadt und besaß die Gerichtsgewalt über das Gebiet, doch hatte man es von alters her den Kaschkai aus dem Bergland überlassen, sich selbst zu regieren – solange sie die Oberhoheit des Schahs in Teheran anerkannten, die Gesetze einhielten, unbewaffnet blieben und in Frieden miteinander lebten. »Aber ihr habt doch immer …«
»Ruhe!« befahl der Anführer der hezbollahis und fuchtelte mit seinem Maschinengewehr. Scot sah, wie eine leichte Röte über Nitchak Khans Gesicht flog. Der Anführer trug einen Bart, war Mitte 30, ärmlich gekleidet und hatte ein böses Funkeln in seinen dunklen Augen. Er zerrte Nasiri nach vorn und sagte etwas auf Persisch.
»Ich soll dolmetschen, Captain«, sagte Nasiri nervös. »Der Anführer, er heißt Ali-sadr, wünscht, daß Sie die folgenden Fragen beantworten. Ich habe die meisten schon beantwortet, aber er will …« Ali-sadr stieß eine Verwünschung aus und begann die Vernehmung, wobei er die Fragen von einer Liste ablas. Nasiri übersetzte: »Haben Sie hier das Kommando?«
»Im Augenblick ja.«
»Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?«
»Ich bin Engländer. Aber was …«
»Sind Amerikaner hier?«
»Nicht daß ich wüßte«, antwortete Scot rasch, verzog keine Miene und hoffte, daß man Nasiri nicht die gleiche Frage gestellt hatte. Sie wußten beide, daß der Mechaniker Rodrigues Amerikaner mit einem falschen englischen Ausweis war. Nasiri übersetzte, ohne zu zögern. Einer der hezbollahis schrieb alle Antworten mit.
»Wie viele Piloten sind hier?«
»Im Augenblick bin ich der einzige.«
»Wo sind die anderen? Wer sind sie, und welche Staatsangehörigkeit haben sie?«
»Unser dienstältester Pilot, Captain Lochart, ist Kanadier und befindet sich in Teheran. Er ist auf einem Charterflug und müßte jeden Tag zurück sein. Der andere, der stellvertretende Kommandant, ist Captain Jean-Luc Sessone. Er ist Franzose und fliegt heute einen dringenden Charter für IranOil nach Teheran.«
Der Anführer hob den Blick. »Was war so dringend?«
»Die Anlage Rosa soll eine neue Bohrung niederbringen.« Er wartete, während Nasiri erklärte, was das bedeutete, und daß die Ölbohrer dringend die Hilfe von Schlumberger-Experten brauchten, die jetzt in Teheran stationiert waren. Heute morgen hatte Jean-Luc auf gut Glück die Flugsicherung in Schiras angerufen, um Starterlaubnis für Teheran zu erhalten. Zu seiner Überraschung und großen Freude hatte die Flugsicherung sie sofort erteilt. »Der Imam hat verfügt, daß die Ölproduktion sofort wieder aufgenommen wird«, hatte es geheißen.
Scot Gavallan schmunzelte, denn er kannte den wahren Grund, warum Jean-Luc so behende in das Cockpit der 206 gesprungen war: Er konnte seiner Sayada einen längst fälligen Besuch abstatten. Scot hatte sie einmal kennengelernt und hoffnungsvoll gefragt: »Hat sie eine Schwester?«
Der Anführer hörte Nasiri ungeduldig zu und unterbrach ihn schließlich. »Ali-sadr sagt, in Zukunft müssen alle Flüge von ihm freigegeben werden, von ihm oder von diesem Mann.« Nasiri deutete auf den jungen hezbollahi, der Scots Antworten mitschrieb. »In Zukunft muß bei allen Flügen einer von ihren Leuten an Bord sein. Keine Starts mehr ohne vorherige Erlaubnis. In etwa einer Stunde werden Sie ihn und seine Leute zu allen unseren Bohranlagen fliegen.«
»Erklären Sie ihm, daß das nicht möglich ist, weil wir noch mehr Rohre und Zement zum Bohrturm Rosa fliegen müssen. Sie sind sonst dort nicht fertig, wenn Jean-Luc morgen zurückkommt.«
Nasiri begann zu erklären. Der Anführer fiel ihm grob ins Wort und stand auf. »Sag dem ungläubigen Piloten, er soll in einer Stunde fertig sein, und dann … Nein, noch besser: Sag ihm, er soll jetzt mit uns ins Dorf
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