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Wirbelsturm

Wirbelsturm

Titel: Wirbelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Ende wieder eine Tür, auch sie eisenbeschlagen. Diese Tür stand offen, und er sah Scharazad, die sich als Silhouette gegen das Lampenlicht abhob. Er stürzte auf sie zu, und weinend und jammernd lag sie in seinen Armen.
    Die Tür zur Straße schlug zu, und die Riegel wurden zugeschoben. »Warten Sie!« rief Lochart dem Diener zu und dachte dabei an McIver. Dann hörte er den Motor anspringen und den Wagen losfahren.
    Er führte Scharazad ins Haus und in die Wärme. Als er sie im Licht sah, schwand sein anfängliches Glücksgefühl, und sein Magen krampfte sich zusammen. Ihre Wangen waren schmutzig, die Augen geschwollen, die Haare glanzlos und strähnig, ihre Kleidung zerknittert.
    »Du lieber Himmel …«, murmelte er, aber sie schien ihn nicht zu hören. Sie klammerte sich an ihn, wimmerte in einer Mischung aus Persisch und Englisch, während ihr Tränen über die Wangen rollten. »Ist ja schon gut, Scharazad«, versuchte er sie zu beruhigen. Aber sie lallte monoton weiter. »Scharazad, Scharazad, mein Liebling. Ich bin wieder da. Ist ja schon gut. Ist ja schon gut …« Er brach ab. Es war, als hätte er überhaupt nichts gesagt, und plötzlich erstarrte er bei dem Gedanken, daß sie den Verstand verloren haben könnte. Er begann, sie sanft zu schütteln, aber auch das zeigte keine Wirkung. Dann sah er, daß der alte Diener immer noch an der Treppe stand und auf Befehle wartete. »Wo … wo ist die Gnädigste, Frau Bakravan?« fragte er. Scharazad hatte ihre Arme fest um seinen Hals gelegt.
    »Sie ist in ihrem Zimmer, Agha.«
    »Bitte, sagen Sie ihr, daß ich da bin und gern meine Aufwartung machen möchte.«
    »Oh, sie empfängt niemanden, Agha. Niemanden. Wie es Allah gefällt. Sie hat niemanden mehr empfangen seit dem Tag …« Tränen glitzerten in den alten Augen. »Exzellenz sind fort gewesen, vielleicht wissen Exzellenz nicht, daß …«
    »Ich weiß es. Ja, ich habe es schon erfahren.«
    »Inscha'Allah, Agha, Inscha'Allah. Aber welche Verbrechen hätte der Herr verüben sollen? Inscha'Allah, daß man ihn …«
    »Inscha'Allah. Bitte, sagen Sie der Gnädigsten … Scharazad, hör auf! Komm, Liebling«, fuhr er auf Englisch fort; ihr Winseln machte ihn wahnsinnig. »Hör auf!« Und auf Persisch zum Diener: »Bitte, ersuchen Sie die Gnädigste, mich zu empfangen.«
    »O ja, ich werde sie ersuchen, Agha. Aber die Gnädigste wird die Tür nicht aufmachen und mir nicht antworten. Ich gehe jedoch sofort, um Ihren Befehl auszuführen.« Er setzte sich in Bewegung.
    »Warten Sie! Wo sind denn alle? Wo ist der Rest der Familie?«
    »Ah, die Familie. Die Gnädigste ist in ihrem Zimmer, und die Dame Scharazad ist hier.«
    »Ich meine, wo ist Exzellenz Meschang mit seiner Frau und den Kindern, und wo sind meine Schwägerinnen und ihre Männer?«
    »Zu Hause natürlich, Agha.«
    »Dann sagen Sie Exzellenz Meschang, daß ich da bin.« Als ältester Sohn waren Meschang und seine Familie die einzigen, die mehr oder weniger ständig hier wohnten.
    »Gewiß, Agha. Wie es Allah gefällt. Ich werde in den Basar gehen.«
    »Er ist im Bazar?«
    Der Alte nickte. »Selbstverständlich, Agha. Er und seine Familie sind im Bazar. Jetzt ist er der Herr und muß das Geschäft führen, wie es Allah gefällt, Agha. Er ist jetzt das Oberhaupt des Hauses Bakravan. Ich gehe schon.«
    »Nein, schicken Sie jemand anderen.« Der Basar war ganz in der Nähe. »Haben wir – Scharazad, hör endlich auf!« fuhr er sie grob an – »haben wir heißes Wasser im Haus?«
    »Wir sollten welches haben, Agha. Der Kessel ist sehr gut, aber nicht eingeschaltet.«
    »Habt ihr kein Heizöl?«
    »Oh, Heizöl sollte da sein, Agha. Wünschen Sie, daß ich nachsehe?«
    »Ja, machen Sie den Kessel an, und bringen Sie uns etwas zu essen und Tee!«
    »Gewiß, Agha. Was wünscht die Exzellenz zu speisen?«
    Lochart bemühte sich, bei Verstand zu bleiben; Scharazads Wimmern brachte ihn langsam zur Verzweiflung. »Irgend etwas – nein, Reis und Khoresch, Hühner-Khoresch.«
    »Wenn Sie es wünschen, Agha. Aber der Koch ist stolz auf seinen Hühner-Khoresch, und er braucht Stunden, um ihn zuzubereiten.« Höflich wartete der alte Mann, während seine Blicke von Lochart zu Scharazad und wieder zurück wanderten.
    »Dann … einfach Obst. Irgendwelches Obst. Obst und Tee …« Lochart ertrug es nicht länger, hob Scharazad in seine Arme und ging mit ihr die Treppe hinauf und durch die Gänge bis zu den Zimmern, die sie beide für gewöhnlich in dem

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