Wirbelsturm
Blitz und Donner gezählt, oft nur zwei oder drei. O Johnny, jetzt ist es direkt über uns! Inscha'Allah, wenn es uns trifft, aber das macht nichts, wir sind ja zusammen. Sie hatten einander an der Hand gehalten, wie jetzt auch. Nein, dachte er, nicht wie jetzt auch. Er führte ihre Hand an seine Lippen und küßte sie. »Du kannst es ihm selbst sagen. Wir versuchen es – zusammen. Bist du bereit?«
»Du meinst, wir gehen … zusammen?«
»Ja.«
Nach einer kleinen Pause sagte sie: »Frag zuerst Gueng!«
»Er tut, was ich sage.«
»Natürlich. Aber frag ihn trotzdem. Bitte!«
Er ging zu Gueng hinaus, aber noch bevor er den Mund auftun konnte, sagte der Gurkha: »Noch keine Gefahr, Sahib.«
»Hast du uns gehört?«
»Ja, Sahib.«
»Was meinst du?«
Gueng lächelte. »Was ich meine, Sahib, ist nicht von Bedeutung. Karma ist Karma. Ich tue, was Sie sagen.«
Flughafen Täbris: 12 Uhr 40. Abdullah Khan stand neben seinem kugelsicheren Rolls-Royce auf dem mit Schnee bedeckten Vorfeld in der Nähe des Abfertigungsgebäudes. Wütend beobachtete er, wie die 125 einflog. Gestern hatte ihm sein Neffe, Oberst Mazardi, der Polizeichef, ein von der Polizeizentrale weitergegebenes Telex überbracht: ›Bitte erwarten Sie morgen, Dienstag, 12.40 den Jet G-ETLL. Oberst Haschemi Fazir.‹ Der Name hatte ihm und allen, die Zugang zu dem Fernschreiben hatten, kalte Schauder den Rücken hinunterlaufen lassen. Der Innere Sicherheitsrat hatte schon immer über dem Gesetz gestanden, und Oberst Haschemi Fazir war sein Großinquisitor gewesen – ein selbst im Iran, wo Grausamkeit erwartet und bewundert wurde, wegen seiner Unbarmherzigkeit berüchtigter Mann.
»Was will er hier?« hatte Mazardi verängstigt gefragt.
»Er will mit mir über Aserbeidschan sprechen«, hatte der Khan geantwortet und seine Furcht verborgen. Er war erbost über die Wortkargheit des Fernschreibens und den unerwarteten und unerwünschten Besuch. »Er wird mich fragen wollen, wie er mir helfen kann. Er ist seit vielen Jahren mein guter Freund«, log er weiter.
»Ich werde eine Ehrenwache aufziehen lassen und das Komi…«
»Sei kein Narr! Oberst Fazir legt Wert auf Geheimhaltung. Tu nichts, komm nicht auf den Flughafen, sieh nur zu, daß es auf den Straßen ruhig ist und … Ach ja, verstärke den Druck auf die Tudeh. Denk an Khomeinis Befehl, die Tudeh zu zerschlagen. Laß heute nacht ihre Zentrale niederbrennen und verhafte die uns bekannten Führer.« Ein perfektes Gastgeschenk, wenn ich eines brauchen sollte, dachte er. Ist Fazir nicht ein fanatischer Gegner der Tudeh? Allah sei Dank, daß Pjotr Oleg mir seine Zustimmung gegeben hat. Aber was will dieser Hundesohn Fazir von mir?
All die Jahre hindurch waren sie sich mehrmals begegnet, um zu ihrem beiderseitigen Vorteil Informationen auszutauschen. Doch Oberst Haschemi Fazir war einer von denen, die fest daran glaubten, daß der einzige Schutz des Irans in einem absoluten Zentralismus liege, daß das Land also von Teheran aus regiert werden müsse und daß die Stammesführer ein Anachronismus seien, der eine Gefahr für den Staat darstellte. Dazu kam, daß Fazir ein Teheraner war, der die Macht hatte, zu viele Geheimnisse aufzudecken, Enthüllungen, die sich gegen ihn, Abdullah, verwenden ließen. Zur Hölle mit allen Teheranern! Und mit Azadeh und ihrem verdammten Gatten!
Azadeh! Habe ich diese Teufelin wirklich gezeugt? Unmöglich! Da muß ein anderer … Allah verzeih mir, daß ich meine geliebte Naphthala verdächtige.
Azadeh ist vom Satan besessen. Aber sie entkommt mir nicht, o nein. Ich schwöre, ich schaffe sie nach Tiflis und überlasse sie Pjotr zum Gebrauch … Zum wiederholten Male begann das Blut in seinen Ohren zu dröhnen und wieder krallte sich ein lähmender Schmerz in seine Brust. Hör auf, ermahnte er sich, beruhige dich! Denke jetzt nicht an sie, du wirst später dein Mütchen kühlen können. Denk lieber an Fazir! Du wirst dein Köpfchen anstrengen müssen, um mit ihm fertig zu werden. Sie kann dir nicht entkommen.
Als kurz nach Tagesanbruch bestürzte Wächter in sein Schlafzimmer gekommen waren, um ihm zu berichten, daß die zwei Gefangenen das Weite gesucht hatten, und er fast zur gleichen Zeit erfuhr, daß Azadeh nicht im Palast war, schäumte er vor Wut. Sofort hatte er Männer ausgesandt, ihr Versteck in der Felswand zu durchsuchen, von dem er seit Jahren wußte, und ihnen befohlen, nicht ohne sie und die Saboteure zurückzukommen. Er hatte dem Nachtwächter die
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