Wirbelsturm
Armstrong schon zweimal auf ihn gelauert haben? Daß Abdullah Khan ihn verraten hat?«
»Ich … ich weiß es nicht. Ich sagte Ihnen schon, er war schlau, und der Khan, Ihr Vater, sehr vorsichtig in seinen Geschäften.« Die Anstrengung des Nachdenkens und Sprechens kostete Ahmed viel Kraft. »Daß Mzytryk weiß, daß die beiden hier sind, hat nicht viel zu bedeuten, es wimmelt hier von seinen Spionen. Sie wissen doch, daß Sie von allen möglichen Leuten bespitzelt werden, zumeist von üblen Burschen, die wieder ihren Auftraggebern berichten – zumeist noch übleren Burschen.« Ein Lächeln glitt über seine Züge. »Aber Sie verstehen es ja ausgezeichnet, Ihre wahren Absichten zu verschleiern, Hoheit. Kein einziges Mal hat Abdullah Khan geahnt, wie brillant Sie sind, kein einziges Mal. Hätte er es gewußt, er hätte Sie nie verbannt … Er hätte Sie zu seinem Erben und obersten Ratgeber gemacht.«
»Er hätte gleich nach meiner Geburt den Befehl gegeben, mich zu erwürgen.« Keine Sekunde lang fühlte Hakim Khan sich versucht, Ahmed zu sagen, daß die Mörder, die Erikki einst getötet hatte, von ihm geschickt worden waren oder ihm von dem ebenfalls mißlungenen Giftmordversuch zu erzählen. »Noch vor einer Woche hätte er dir aufgetragen, mich zu verstümmeln, und du hättest, ohne mit der Wimper zu zucken, den Befehl ausgeführt.«
Ahmed blickte zum Khan auf. In den tiefliegenden Augen lauerte der Tod. »Woher wissen Sie soviel?«
»Es ist Allahs Wille.«
Die Zeit der Ebbe war gekommen, und beide Männer wußten es. »Oberst Fazir hat mir ein Fernschreiben gezeigt«, sagte Hakim. »Es geht um Erikki.« Er erzählte Ahmed den Inhalt. »Jetzt habe ich keinen Mzytryk für ein Tauschgeschäft. Ich kann Yokkonen an Fazir ausliefern oder ihm zur Flucht verhelfen. So oder so ist meine Schwester verpflichtet hierzubleiben. Sie kann ihn daher nicht begleiten. Was rätst du mir?«
»Für Sie ist es sicherer, den Ungläubigen als Pischkesch an den Oberst auszuliefern und ihr zu sagen, Sie könnten … die Verhaftung … nicht verhindern. Sie können sie ja tatsächlich nicht verhindern, wenn der Oberst es so will. Der Mann mit dem Dolch … er wird Widerstand leisten, und dabei wird man ihn töten.«
»Und wenn dem Mann mit dem Dolch ›zufällig‹ die Flucht gelingt?«
»Wenn der Oberst das zuläßt … wird er etwas dafür haben wollen.«
»Und zwar?«
»Mzytryk. Jetzt oder irgendeinmal … irgendeinmal in der Zukunft. Solange der Mann mit dem Dolch lebt, wird sie sich nie von ihm scheiden lassen, und wenn die zwei Jahre um sind, wird sie zu ihm gehen … wenn er sie bei sich behält. Selbst Sie, Hoheit …« Ahmeds Augen schlossen sich, und seine Glieder bebten.
»Was war mit Bayazid und den Banditen? Ahmed?«
Ahmed hörte ihn nicht. Er sah jetzt die Steppen, die sich weithin erstreckende Ebene seiner Heimat, das Grasland, aus dem seine Vorfahren gekommen waren, um mit Dschingis-Khan zu reiten und dann mit seinem Enkel Kublai und dessen Bruder Hülägü weiterzuziehen, der nach Persien herunterkam, um Berge aus den Schädeln jener zu errichten, die sich ihm entgegenstellten. Wie aus weiter Ferne hörte er sich sagen: »Ich bitte Sie, Hoheit, mir eine Gunst zuteil werden zu lassen: Ich würde gern in meiner Heimat und nach unserem Brauch begraben werden …« Dann kann ich für alle Zeiten mit den Geistern meiner Väter zusammenleben, dachte er.
»Was geschah mit Bayazid und den Banditen, nachdem ihr gelandet wart?« Mit großer Mühe kehrte Ahmed in die Wirklichkeit zurück. »Es waren keine Kurden, einfach nur Banditen, die sich für Kurden ausgaben. Der Mann mit dem Dolch tötete sie alle – mit großer Brutalität«, erklärte er seltsam förmlich. »In seiner Raserei tötete er sie alle – mit seinem Messer, mit der Pistole, mit Händen und Füßen und Zähnen, alle bis auf Bayazid, der wegen seines Eides keine Hand gegen ihn erhoben hatte.«
»Er hat ihn am Leben gelassen?« Hakim konnte es nicht glauben.
»Ja. Allah sei seiner Seele gnädig. Er schob mir die Pistole in die Hand, hielt Bayazids Kopf vor den Lauf und ich …« Die Stimme erstarb, in weiter Ferne lockte das wogende Gras.
»Du hast ihn getötet?«
»O ja! Während … während ich ihm in die Augen sah.« Zorn färbte Ahmeds Stimme. »Der ehrlose Hurensohn schoß mich in die Schulter, und darum starb er auch ehrlos und ohne seine Männlichkeit.« Die blutlosen Lippen lächelten, und Ahmed schloß die Augen. Es ging
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