Wirbelsturm
Das heißt: Du mußt fort, aber sie darf nicht mit dir gehen.«
»Sie hat mir von diesem Schwur erzählt.«
»Du bist hier in Gefahr. Ich kann dich weder vor der Polizei noch vor der Regierung schützen. Du solltest unverzüglich in deine Maschine steigen und das Land verlassen. Nach zwei Jahren kann Azadeh nachkommen.«
»Ich kann nicht fliegen. Fazir hat gesagt, er könne mir vielleicht morgen einen Mechaniker schicken. Und Treibstoff. Wenn ich nur McIver in Teheran erwischen könnte! Er würde mir sofort jemanden heraufschicken.«
»Hast du es denn versucht?«
»Ja, aber die Telefonverbindungen sind immer noch tot. Ich hätte den Sender auf unserem Stützpunkt benützt, aber das Büro ist völlig zerstört, die ganze Basis ein Trümmerhaufen, kein Liter Treibstoff. Sobald ich nach Teheran komme, kann McIver einen Mechaniker heraufschicken, der die 212 repariert. Kann der Heli bis dahin bleiben, wo er ist?«
»Selbstverständlich.« Hakim goß sich Tee nach. Er war jetzt überzeugt, daß Erikki nichts von der Flucht der anderen Piloten und Hubschrauber wußte. Aber das änderte nichts, mußte er sich eingestehen. »Es gibt keine Linienverbindungen von Täbris aus, sonst hätte ich dir schon einen Platz reservieren lassen. Trotzdem solltest du schnellstens von hier weg. Du befindest dich in großer Gefahr – in unmittelbarer Gefahr.«
Erikkis Augen verengten sich. »Bist du sicher?«
»Ja.«
»Was für eine Gefahr ist das?«
Hakim sah ihn an. »Ich kann es dir nicht sagen. Aber das Ganze unterliegt nicht meiner Kontrolle, und es ist eine ernste und unmittelbare Gefahr. Im Augenblick ist Azadeh nicht davon betroffen, aber sie könnte es sein, wenn wir nicht aufpassen. Zu ihrem Schutz muß das unter uns bleiben. Ich gebe dir einen Wagen, in der Garage stehen eine ganze Menge. Such dir einen aus! Wir haben nicht viel Zeit.«
Erikki drehte den Kopf hin und her, um seine gespannten Muskeln zu lockern. »Wie unmittelbar ist die Gefahr, Hakim?«
Hakim wich seinem Blick nicht aus. »Sie ist so unmittelbar, daß du bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, dich dann in den Wagen setzen, losfahren und den Iran so schnell, wie du kannst, verlassen solltest. Sie ist so unmittelbar, daß du wissen müßtest: Wenn du es nicht gleich tust, wird Azadeh große seelische Qualen erleiden. Sie ist so unmittelbar, daß du ihr nichts sagen solltest, bevor du abreist.«
»Das schwörst du?«
»Ich schwöre bei Allah, daß ich das befürchte.«
Er sah, wie Erikki die Stirn runzelte, und wartete geduldig.
Ihm gefiel die Aufrichtigkeit und Unkompliziertheit seines Schwagers, aber unter den gegebenen Umständen hatte dieser Vorzug keine Bedeutung. »Kannst du gehen, ohne es ihr zu sagen?«
»In der Nacht, kurz vor Tagesanbruch, wenn sie schläft. Der Arzt hat ihr ein Schlafmittel gegeben. Ich könnte ihr eine Nachricht hinterlassen.«
Hakim nickte zufrieden. »Dann ist es also abgemacht.« Es lag ihm daran, Azadeh weder zu beunruhigen noch zu verletzen, so wie auch er von ihr weder beunruhigt noch verletzt werden wollte.
Erikki hatte die Endgültigkeit herausgehört und wußte genau: Wenn er Azadeh jetzt verließ, würde er sie für immer verlieren.
Im Badehaus: 19 Uhr 15. Azadeh ließ sich bis zum Hals in das heiße Wasser sinken. Das Badebecken war wunderschön gekachelt und fünfzehn Quadratmeter groß. An einem Ende war es seicht und mit zwei Ruhebänken ausgestattet. Das heiße Wasser kam aus einem Kessel im Nebenraum. Sie hatte ihr Haar in ein Handtuch gebunden und ruhte, vom Wasser umspült, mit ausgestreckten Beinen auf einer der gekachelten Ruhebänke. »Oh, das tut gut, Mina«, murmelte sie.
Mina war eine kräftige, gutaussehende Frau, eine von Azadehs drei Zofen. Nur mit einem Lendenschurz bekleidet, stand sie hinter ihr im Wasser und massierte ihr sanft Nacken und Schultern. Azadeh und die Frau waren allein im Badehaus. Hakim hatte den Rest der Familie ins Tal geschickt, um ›Vorbereitungen für eine würdige Trauerfeier für Abdullah Khan zu treffen‹, wie seine Erklärung lautete, aber alle wußten, daß er in diesen 40 Tagen den Palast mit Muße inspizieren und alle Gemächer ihren neuen Bestimmungen übergeben wollte. Nur die alte Khananum blieb ungestört sowie auch Ayscha und ihre zwei Kinder.
Ohne Azadehs Ruhe zu stören, schob Mina sie in seichteres Wasser auf die andere Ruhebank, auf der Azadeh den Kopf auf einem seidenen Kissen, bequem ausgestreckt, liegen konnte, so daß die Zofe Brust, Lenden,
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