Wirbelsturm
Als die gellenden Laute nachließen, nahm er den Eimer mit Eiswasser und schüttete es dem Oberst ins Gesicht. Die Augen des Mannes auf der Bahre öffneten sich, und die Qual und das Entsetzen darin befriedigten ihn noch mehr. »Sie wollten mich sprechen, Herr Oberst? Ich bin General Pjotr Oleg Mzytryk.« Er drehte das Messer herum. Haschemis Gesicht verzerrte sich grotesk, er schrie und brüllte und lallte unverständliches Zeug, während er vergeblich versuchte, sich von seinen Fesseln zu befreien.
»Das ist für meinen Sohn … und das ist für meinen Sohn … und das ist für meinen Sohn.«
Haschemi hatte ein starkes Herz. Minutenlang flehte er um Gnade, bettelte er um den Tod. Er starb einen elenden Tod.
Einen Augenblick lang stand Mzytryk über ihm, während sich seine Nase gegen den Gestank auflehnte. Aber es kostete ihn keine Mühe, sich daran zu erinnern, was diese beiden seinem Sohn angetan hatten, um ihn auf die dritte Bewußtseinsebene hinunterzudrücken. Pahmudis Bericht war sehr ausführlich gewesen. »Haschemi Fazir, du Scheißkerl, du hast deinen Lohn empfangen«, sagte er und spuckte ihm ins Gesicht. Dann wandte er sich um und hielt inne. Armstrong war bei Bewußtsein und beobachtete ihn von seiner Trage aus, die auf der anderen Seite des Kellers lag. Kalte blaue Augen. Blutleeres Gesicht. Das Fehlen jeder Angst überraschte ihn. Das werde ich rasch ändern, dachte er und nahm sein Taschenmesser heraus. Dann bemerkte er, daß Armstrongs rechter Arm frei war, und noch bevor er etwas tun konnte, hatte der Engländer nach dem Revers seines Trenchcoats gelangt und hielt nun die Spitze mit der eingenähten Zyanidkapsel an die Lippen. »Bleib, wo du bist!« warnte Armstrong.
Mzytryk war zu erfahren, um auch nur daran zu denken, auf ihn loszustürzen – die Entfernung war zu groß. Armstrongs Zähne würden die Kapsel zerbeißen, und drei Sekunden waren nicht annähernd genug, um Rache an ihm zu üben. Er konnte nur hoffen, daß ihm vor Schmerzen das Bewußtsein schwinden oder daß er seine Konzentrationsfähigkeit einbüßen würde.
Als die Krankenträger im Dunkel der Ambulanz gekommen waren, um Armstrongs Riemen festzuzurren, hatte er instinktiv seine Kräfte gegen die Riemen eingesetzt, um genügend Raum zu haben, den Arm herauszuziehen – falls die Schmerzen unerträglich werden sollten. Eine zweite Giftkapsel war in seinem Hemdkragen eingenäht. Während Haschemis qualvollem Sterben hatte er unter Aufbietung aller Kräfte den Arm freigezerrt. Und sobald er die Kapsel berührt hatte, war die Angst von ihm gewichen und mit ihr auch ein Großteil seiner Schmerzen.
»Wir sind Profis«, sagte er. »Wir haben deinen Sohn nicht ermordet. Er lebte, als … als General Janan ihn im Auftrag Pahmudis wegbrachte.«
»Das ist gelogen!« Mzytryk hörte die Schwäche in der Stimme des Engländers und wußte, daß er nicht mehr lange würde warten müssen.
»Lies die offiziellen Dokumente … SAVAMA muß welche vorliegen haben … und dein gottverfluchter KGB auch …«
»Hältst du mich für so dumm, daß ich mich von dir gegen Pahmudi aufhetzen lasse, bevor du stirbst?«
»Lies die Berichte, stell Fragen, so kommst du vielleicht an die Wahrheit heran. Aber ihr Bastarde vom KGB habt nie viel für die Wahrheit übrig gehabt. Ich sage dir, er war noch am Leben, als die SAVAMA ihn abgeholt hat.«
Mzytryk war verunsichert. Ein Profi wie Armstrong – so oder so dem Tod nahe – würde niemals eine solche Untersuchung vorschlagen, ohne sich des Resultats sicher zu sein. »Nimm an, ich würde dir glauben, wo sind die Bänder?«
»Es gab keine … keine von der dritten Bewußtseinsebene.« Armstrongs Kräfte verebbten. Die Schmerzen waren vergangen … und auch die Zeit. Es fiel ihm mit jeder Sekunde schwerer, sich zu konzentrieren, aber die Bänder mußten geschützt werden – eine Kopie war bereits unterwegs nach London. »Dein Sohn war tapfer und hat uns nichts verraten. Was Pahmudi aus ihm herausgeholt hat, weiß ich nicht … Pahmudis Mordgesellen … sie waren es oder dein eigener Abschaum. Er war noch am Leben, als er abgeholt wurde. Das hat Pahmudi Haschemi gesagt.«
Es wäre möglich, dachte Mzytryk betroffen. Diese Scheißkerle in Teheran haben alles versaut, haben den Schah jahrelang falsch interpretiert und die Arbeit von Generationen wertlos gemacht. »Ich werde es herausbekommen … aber das hilft dir auch nicht mehr, Genosse.«
»Einen Gefallen … gegen einen … anderen.
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