Wirrnis des Herzens
Als es ihr endlich gelungen war, die Augen zu öffnen, sah sie, dass es bereits heller Tag war. Durch die Fenster links von ihr flutete die Morgensonne in den Raum.
Nur hatte ihre Schlafkammer an der linken Seite des Bettes doch gar keine Fenster. Irgendetwas stimmte nicht.
Helen fühlte sich benommen, so, wie sie sich fühlte, wenn sie mit Lord Beecham geschlafen hatte und so erschöpft war, dass sie nur noch kraftlos vor sich hin lächeln konnte.
Sie versuchte sich aufzusetzen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Es war wie verhext. Sie versuchte es noch einmal. Dann endlich bemerkte sie, dass ihre Hände festgebunden waren. Was war das? Helen blinzelte irritiert.
Sanft berührte Lord Beecham ihre Wange. Dann küsste er sie vorsichtig. »Guten Morgen, Helen. Ich hoffe, Sie sind jetzt wieder völlig klar? Sie wirkten etwas unruhig in den letzten Stunden.«
»Spenser?«
»Ja«, sagte er, fuhr ihr mit der Fingerspitze leicht über die Augenbraue und beugte sich zu ihr hinunter, um sie zu küssen.
Ohne sich so recht darüber im Klaren zu sein, was sie tat, erwiderte Helen seinen Kuss. »Warum sind meine Hände festgebunden? «
»Damit Sie nicht versuchen, mich umzubringen. Das heißt, versuchen könnten Sie es natürlich, aber ich glaube kaum, dass es Ihnen gelingen würde.«
»Warum sollte ich versuchen, Sie umzubringen?«
»Nun, um die Wahrheit zu sagen, ich habe Sie entführt. Wir sind ganz allein. Hier ist weit und breit keine Menschenseele. Ich habe Sie heimlich hergebracht und an dieses Bett gefesselt. Kurz, meine kleine Nellie, Sie befinden sich ganz und gar in meiner Gewalt.«
Helen versuchte, die Arme zu bewegen und Lord Beecham ins Gesicht zu schlagen, aber obwohl die Fesseln an ihren Handgelenken nicht schmerzten und obwohl sie nicht übermäßig festgezurrt waren, konnte sie sich doch kaum bewegen.
Ihre Füße. Helen versuchte, Lord Beecham von hinten in den Rücken zu treten, aber es gelang ihr nicht. Wie die Handgelenke hatte er auch ihre Fesseln an das Bett gebunden. Helen gab auf und starrte Lord Beecham wütend an.
Er lächelte. Es war ein selbstgefälliges Lächeln, gleichzeitig aber auch ein freundliches - eine eigenwillige Kombination. Helen wusste nicht so recht, was sie von der Situation halten sollte. Eines allerdings war sicher, sie durfte auf keinen Fall zulassen, dass das so weiterging.
Sie versuchte, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen. »Sie werden mich jetzt auf der Stelle befreien!«
»Diesen Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen, meine Liebste. Sie würden mich hier und jetzt zu Kleinholz verarbeiten.«
»Nein, ich schwöre Ihnen, dass ich das nicht tun würde. Ich würde nicht einmal Ihre verfluchte Männlichkeit auseinander nehmen. Also lassen Sie mich jetzt frei.«
»Das war eben eine handfeste Lüge, Helen. Nun, es gibt einige kleine Problemchen, und ich möchte, dass Sie wissen, dass ich darüber nachgedacht habe. Wenn Sie sich also erleichtern müssen, dann werde ich Ihnen den Nachttopf bringen und Ihre Füße und eines Ihrer Handgelenke befreien. Sie werden damit zurechtkommen. Ich habe es selbst ausprobiert.
Sie haben sehr lange geschlafen. Bevor ich Ihnen Ihr Frühstück serviere, werde ich Sie losbinden. Also, Helen, machen Sie keine Dummheiten.«
Helen sagte zunächst kein Wort. Dazu war sie auch noch viel zu benommen.
»Sie haben mich entführt?«, fragte sie schließlich.
»Ja, genau das habe ich getan. Ich bin mit Ihnen über der Schulter und Ihrem Koffer in der Hand aus dem Fenster Ihrer Schlafkammer geklettert. Und ich habe nicht eine Sekunde gezögert.«
»Aber warum? Warum haben Sie das getan?«
»Mrs. Toop möchte, dass ich Ihnen noch ein bisschen mehr über Züchtigung beibringe«, antwortete Lord Beecham und löste die Knoten an Helens Füßen. Dann befreite er ihre linke Hand. »So. Ich werde dieses Zimmer natürlich nicht verlassen, denn ich weiß sehr gut, dass Sie nichts Eiligeres zu tun hätten, als den Knoten der letzten Fessel zu lösen.«
Lord Beecham streichelte Helens Wange und stellte sich dann vor den Kamin.
Helen benutzte den Nachttopf. Als Lord Beecham sich wieder umwandte, war sie bereits damit beschäftigt, die Krawatte, mit der ihr rechtes Handgelenk angebunden war,
zu lösen. Sofort war er bei ihr, griff nach ihrer freien Hand und hielt sie fest. »Legen Sie sich hin, Helen. Und versuchen. Sie nicht, mit mir zu kämpfen.«
Genauso gut hätte Lord Beecham einem ausgehungerten Tiger befehlen können, die grasenden
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