Wirrnis des Herzens
muss zwei Stunden alleine in einem verdunkelten Raum ohne etwas zu Essen oder zu Trinken verbringen. Normalerweise nutze ich dafür die Gerätekammer hinter den Ställen. Da ist es stockdunkel.«
Lord Beecham seufzte. »Nun, das ist zwar nicht gerade besonders anregend, erscheint mir aber doch angemessen.«
Er zog die Vorhänge zu. Dann band er Helens freie Hand erneut an das Kopfteil des Bettes, strich ihr über die Wange und küsste sie. Als er sich wieder erhob, blieb er noch eine Weile stehen und sah auf Helen hinunter. Pfeifend verließ den Raum.
Er kam nicht zurück.
Während sie so dalag, überlegte Helen, dass diese scheinbar so harmlose Züchtigungsmaßnahme schlimmer war, als sie sich je vorgestellt hatte. Das war mindestens Stufe Drei, wenn nicht sogar Stufe Vier. Sie würde ihre Skala völlig neu überdenken müssen.
Als die Tür der Schlafkammer sich endlich wieder öffnete, kam es Helen vor, als wäre inzwischen ein ganzer Tag verstrichen. Helen hätte Lord Beecham um den Hals fallen können, so froh war sie, ihn zu sehen.
Lord Beecham nahm einen Stuhl und setzte sich damit an Helens Bett. Rhythmisch dehnte er seine langen Finger, die Spitzen aneinander gelegt. Verträumt blickte Helen auf seine Hände. Die Erinnerung daran, wie er sie damit berührt hatte, kam in ihr auf, und sie zitterte unmerklich. Wie, überlegte sie, konnte es überhaupt sein, dass er bisher so distanziert geblieben war? Normalerweise hatte er es doch kaum erwarten können, sich in jeder unbeobachteten Minute auf sie zu stürzen. Und nun lag sie hier wie die Fleisch gewordene Versuchung und er saß nur da und spielte mit seinen Händen.
»Eine der wirkungsvollsten Züchtigungsmaßnahmen, die ich je erfunden habe, nenne ich > untreuer Weggefährte«
Helen fühlte das Pochen ihres Herzens. Sie biss sich auf die Lippen. Lord Beecham räusperte sich. »Wissen Sie, Helen, zwischen Ihnen und mir ist etwas, das ich mir in meinem bisherigen Leben nie erträumt hätte. Allein eine winzige Berührung von mir macht Sie vor Verlangen wild.«
»Das geht doch scheinbar nicht nur mir so. Was ist, wenn ich Sie berühre?«
Lord Beecham nickte. »Gute Frage. Ich nehme an, ein Großteil meiner vortrefflichen Fähigkeiten auf diesem Gebiet ginge für diesen Moment verloren. Nicht, dass Sie das in Ihrer Gier überhaupt bemerken würden. Ich habe darüber bereits nachgedacht, und wissen Sie was, es amüsiert mich. Ist das nicht eigenartig?«
»Da ich von diesen vortrefflichen Fähigkeiten, mit denen Sie die ganze Zeit angeben, noch nie etwas bemerkt habe, kann ich leider nicht beurteilen, ob Ihre Reaktion eigenartig ist oder nicht.«
Lord Beecham nahm Helens Kampfansage an. Sich nach vom beugend, sagte er: »Wissen Sie, meine Liebe, mit Ihnen ist es nun einmal so unglaublich, nun, ich zögere ein wenig, eine derart unschmeichelhafte Formulierung zu wählen, aber es trifft den Nagel nun mal auf den Kopf, und ich muss doch ehrlich zu Ihnen sein. Also, Helen, es ist eigentlich unglaublich einfach. Man könnte sagen, Sie seien entgegenkommend oder gefällig, vielleicht sogar willfährig. Sie machen es mir wirklich äußerst leicht. Ich muss Sie nur mit einem Fünkchen Interesse in den Augen ansehen, und schon lecken Sie sich Ihre reizenden Lippen. Ich küsse Sie, ein jämmerlicher, kleiner Kuss genügt, und Sie sind bereit, sich mit mir zusammen zu Boden zu werfen.
Kurz gesagt, Sie haben mir bisher einfach keinerlei Gelegenheit gelassen, meine vortrefflichen Fähigkeiten in Liebesdingen unter Beweis zu stellen. Ich muss zugeben, mittlerweile deprimiert mich Ihre Willfährigkeit sogar ein wenig. Sie stellen einfach keine Herausforderung für mich dar, und ich war immer der Meinung, dass man seine Talente auf keinen Fall brachliegen lassen sollte.« Lord Beecham seufzte. »Aber, meine Liebe, auf der anderen Seite ist meine Bewunderung für Sie so groß, dass ich bereit bin, Ihnen entgegenzukommen.«
Lord Beecham wartete, und er genoss es. Er liebte Helens Wutausbrüche und sollte auch keine Sekunde länger darauf warten müssen. Helens Gesicht lief rot an, ihre Augen begannen zu funkeln und ihre Lippen pressten sich zu einer dünnen weißen Linie zusammen. Ein unsagbares Verlangen danach, sie zu küssen, stieg in ihm auf. Doch Stattdessen zwang er sich, ruhig sitzen zu bleiben, die Fingerspitzen aneinander gelegt. Er durfte sich jetzt auf gar keinen Fall gehenlassen. Er wartete.
Helens funkelnde Augen fingen seinen Blick ein und hielten ihn
Weitere Kostenlose Bücher