Witch Boy: Stadt der Geister (German Edition)

mit der Welt. Versuch es noch mal.
    Gegen dieses Argument konnte Seth nichts sagen. Müde, wie er war, verabschiedete er sich nur eine Stunde später ins Bett und schlief trotz der bedrückenden Gedanken beinahe sofort ein.
     

Kapitel 28
     
     
    Der Donnerstag begann für Seth mit einem von Geisterhand ausgestellten Wecker und sanftem Regen. Während er sich beeilte, in seine Kleidung zu kommen und seinen Rucksack zu packen, hörte er mit einem Ohr dem Wetterbericht des Lokalsenders zu.
    „Nur zwölf Grad, ich glaube, mein Schwein pfeift “, schimpfte er. „Passiert das vielleicht auch aus einem bestimmten Grund?“
    „ Ich kann nichts dafür, dass Diane wie ich denkt“, entgegnete Clyde. Die teilnahmslose Telefonstimme machte Seth ganz wahnsinnig. „Aber das ist eben Wetter. Vor einer Woche war es noch viel zu warm.“
    „Ich brauche eine Lösung und kein esoterisches Gefasel über Que sera sera .“ Seth deaktivierte den Lautsprecher und polterte nach einem letzten Blick über seine Sachen die Treppe hinunter, wo sein Vater schon mit Frühstück und Jacke wartete.
    „Falls dein Fahrlehrer dich nicht hier absetzt, hole ich dich “, sagte er beim Hinausgehen. „Heute läuft auf Arbeit nicht viel, ich könnte dir endlich mal bei den Hausaufgaben helfen.“
    „Cool “, seufzte Seth ohne große Begeisterung.
    „Hey, ist alles klar? Du siehst immer noch so kaputt aus. “ Dave hielt Seth vor dem Auto an. „Konntest du wieder nicht schlafen?“
    „Doch, Dad. Hab ‘ nur komisch geträumt. Können wir los? Mr. Walsh lässt mich garantiert nachsitzen, wenn ich zu spät komme.“
    Manche Dinge müssen geschehen, damit das Rad sich weiterdrehen kann , hatte Diane gesagt. Lernen bedeutet Leben, und Leben bedeutet neben Freude auch Leid. Verschließe dich nicht vor dieser Prüfung, Seth. Nur so können die Bewohner dieser Stadt ihrer Vergangenheit entwachsen.
    Was soll das bedeuten? , dachte Seth verdrossen. Was habe ich damit zu tun? Wieso bin ich der Schlüssel, und was soll das Schloss sein? Klingt irgendwie pervers.
    Doch Diane blieb stumm und der triste Schulalltag begann viel zu schnell mit dem Schellen der Glocke. Seth quälte sich durch Geschichte und schrieb während der Doppelstunde Chemie mit Jos eifrig Zettel.
    -   Ich kann nicht fassen, dass du mir dieses Horoskop angedreht hast!
    -   Ich würde es ja zurücknehmen, aber so läuft das nicht. Man kann die Planeten nicht zurückdrehen.
    -   Aber vielleicht ist deinem dritten Auge die Kontaktlinse rausgefallen , antwortete Seth störrisch. Irren ist menschlich, oder nicht?
    „Kontaktlinsen? “, fragte Jos ungläubig, kaum dass sie entlassen waren.
    „Ist doch wahr. Woher soll so ein Planet wissen, was hier unten abgeht? “ Mit Adleraugen scannte Seth die Schüler um sich herum, suchte sie nach Runen und Hämatiten ab. Bei jedem Jugendlichen, der Algiz trug, ob es nun ein Normalo oder ein Blackwood war, atmete er erleichtert durch.
    Suzanne und Molly setzten sich mittags in der Cafeteria neben sie und schlürften durstig ihre Limonade.
    „Wo ist Archie?“, fragte Molly. „Er wollte mir seine Unterlagen für den Fahrunterricht geben. Meine Tutorin lässt mich glatt durchfallen, die blöde Kuh.“
    Grabo schnaubte. „Jeder würde dich durchfallen lassen. Du bist eine Gefahr für die Allgemeinheit. “
    „Bin ich nicht! “
    „Er wollte kurz zu seiner Schwester. Sie hat heute einen Test wiedergekriegt “, verkündete Lennard und knallte sein Tablett ungeschickt auf den Tisch. Um ihn herum zuckten etliche Blackwoods zusammen. „Ne Sechs. Ich frage mich, wie einer in der Familie so klug und der andere so saudämlich sein kann.“
    „Henri ist total nett “, verteidigte Suzanne das Mädchen. „Es ist doch nicht ihre Schuld, dass ihr das Lernen schwer fällt.“
    „Besonders bemühen tut sie sich aber auch nicht. “
    „Gar nicht wahr! Ich habe ihr schon oft Nachhilfe gegeben! “
    „Umso schlimmer, findest du nicht? “
    „Du blöder- “
    Seth hielt sich die Ohren zu, als die Mädchen Lennard gemeinsam zur Schnecke machten. Nach dem Traum heute Nacht hatte er sowieso keinen großen Appetit, da konnte er seine Hände gut entbehren. Er ließ sogar zu, dass Molly ihm nach Beendigung ihrer Zurechtweisung seinen Hackfleischauflauf stahl.
    Die Doppeltür zur Cafeteria schwang kurz vor Ende der Pause auf und knallte gegen die Wände. Ein Junge stürzte herein, das Gesicht aschgrau.
    „Eben hat sich einer vom Dach gestürzt!“, rief er.