wittern ein Geheimnis
Georg. »Ein richtiger Wolkenbruch! Wir werden klatschnass!«
»Nichts wie ab ins Zelt!«, schrie Anne, als ein Blitz grell über den Himmel zuckte und die Nacht für einen Augenblick heller als den Tag machte.
»Das nützt nichts«, meinte Georg, »hier drinnen steht schon das Wasser. Uns bleibt nichts anderes übrig, wir müssen in die alte Bruchbude. Dort finden wir vielleicht irgendwo ein trockenes Fleckchen.«
Die Mädchen rafften ihre Decken zusammen und rannten im Schein von Georgs Taschenlampe durch den Regen, Tim mit Gebell neben Georg her.
Drinnen waren sie froh, halbwegs geschützt zu sein. Sie kuschelten sich in eine Ecke und wickelten sich in die Decken.
Noch mehrere Male schlugen Blitze in der Nähe ein und ließen das alte Gemäuer erzittern. Dann war das Gewitter abgezogen. Der Regen ließ nach und hörte endlich ganz auf. Und als der Wind die letzten Gewitterwolken zerteilt hatte, waren auch die Sterne zu sehen. »Wir können nicht zum Zelt zurück, wir müssen hier bleiben«, erklärte Georg. »Ich hole uns unsere Beutel als Kopfkissen.«
Anne begleitete sie und half beim Tragen. Bald darauf streckten sich die Mädchen in einer Ecke des Raumes auf ihren Decken aus, die Beutel unter dem Kopf und Tim dicht neben sich.
»Gute Nacht«, sagte Anne. »Wir können ja versuchen noch einmal zu schlafen. Blödes Gewitter!«
Bald schliefen beide. Tim war noch wach. Er war unruhig, sehr unruhig, und ganz unvermittelt brach er in ein so fürchterliches Gebell aus, dass die Mädchen entsetzt aus dem Schlaf hochfuhren.
»Tim, was ist denn los? Tim, was ist?«, rief Georg. Sie erwischte ihn am Halsband und hielt ihn fest. »Nicht weglaufen, Tim! Was hat dich so erschreckt?«
Seltsame Ereignisse
Tim hörte auf zu bellen und versuchte mit allen möglichen Tricks freizukommen. Georg war für gewöhnlich nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber das Gewitter, diese muffig riechende alte Hütte und Tims plötzliche Aufregung genügten, um sogar ihre Furchtlosigkeit zu erschüttern. Nun wollte sie den Hund lieber bei sich haben.
»Was ist los?«, flüsterte Anne verängstigt.
»Ich hab keine Ahnung«, gab Georg ebenso leise zurück. »Vielleicht ist es gar nichts, vielleicht hat ihn nur das Gewitter aufgeregt und nervös gemacht. Wir werden eine Weile wach bleiben und aufpassen, ob wir etwas hören.«
Sie legten sich lautlos wieder in ihre Ecke. Georg hielt Tim weiter am Halsband fest. Er knurrte noch ein- oder zweimal, aber er bellte nicht mehr. Georg war nun sicher, dass ihn doch nur das Gewitter so aufgeregt hatte.
Wieder grollte der Donner, das Gewitter kam zurück, ein zweites zog herauf.
Georg atmete auf. »Es ist alles in Ordnung, Anne. Es muss das Donnern und Wetterleuchten gewesen sein, was Tim beunruhigte. Du bist dumm, Tim, uns so zu erschrecken!«
Einem grellen Blitz folgte sehr schnell das helle Krachen des Donners; das Gewitter zog sich zweifellos wieder über ihnen zusammen. Tim bellte wütend.
»Sei ruhig! Du machst mehr Lärm als der Donner!«, schimpfte Georg ärgerlich. »Und du kannst auch nicht in den Regen hinauslaufen! Es fängt schon wieder an zu schütten, so stark wie vorhin. Du wirst doch klatschnass und dann kommst du herein und schüttelst dich trocken und möchtest so nahe wie möglich bei mir sitzen und stinkst nach nassem Hund. Nein, kommt nicht in Frage! Ich kenne dich doch.«
»Lass ihn nicht weg, Georg«, bat Anne. »Er soll hier bei uns bleiben. Mir ist dann wohler. Menschenskind, was für ein Gewitter! Hoffentlich schlägt kein Blitz in diese Hütte ein.«
»Denk dran, dass sie schon drei- oder vierhundert Jahre hier steht und tausende von Gewittern miterlebt hat. Du kannst annehmen, dass es auch diesmal gut geht«, beruhigte Georg sie. »Wohin gehst du, Anne?«
»Ich will nur zum Fenster hinaussehen«, erwiderte Anne. »Besser gesagt, zum Fensterloch. Ich möchte sehen, wie der Blitz alles hell macht, und danach alles im Dunkel versinken sehen.«
Sie stellte sich ans Fenster. Sie musste nicht lange warten, da zerriss ein Blitz den nachtschwarzen Himmel. Zu kurz, um draußen alles genau zu erkennen, aber lange genug, um eine unheimliche Entdeckung zu machen. In das Donnergrollen, das die Luft vibrieren ließ, mischte sich Annes Schrei, und Georg fühlte sich von Anne ängstlich umklammert.
»Was ist denn los?«, fragte Georg.
»D-d-da i-ist je-jemand d-dr-draußen«, stotterte Anne.
»Lleu-leute!«
»Leute? Was für Leute?«, fragte Georg.
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