Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore
vorstellen, was Lucinda gerade durchmachte. Verängstigt. Allein. Um ihr Leben bangend. Er würde Ren töten, denn er hatte seiner Frau wehgetan, und das war ein unverzeihliches Verbrechen. Einige tiefe Atemzüge beruhigten Gray allmählich. Als er sich einigermaßen im Griff hatte, ging er wieder zu den anderen. Sie mussten jetzt alle versuchen, die Situation richtig einzuschätzen, und einen Plan machen. Die Zeit drängte. Ich komme, Liebling. Halt durch.
»Das ergibt doch alles keinen Sinn«, bemängelte Taylor. »Warum sollte Ren erst Happy mitnehmen und Ant hierlassen? Nur um dann wieder zurückzukommen, um Lucinda zu holen und Trent und Ant zu bedrohen? Dann hätte er Ant doch gleich bei dem Unfall ums Leben kommen lassen können.«
»Der Baum sagt, Ren hat meinen Unfall nicht verursacht. Er sagt, es war ein Mann, dessen Zauber sich …« Ant runzelte die Stirn. »Ich glaube, er meint, der Mann ist krank. Er muss eine Krankheit haben.«
»Dann hat Ren also einen Komplizen.« Taylor betrachtete den Baum mit so etwas wie Respekt. »Jemanden, den wir vielleicht gar nicht kennen.«
Es passte einfach nicht zusammen. Gray begriff nicht, wie Lucinda und dieses Mädchen namens Happy in Rens Plan passten. Doch dann schoss ihm ein Gedanke in den Sinn, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Ren will ein vollkommener Zauberer sein.«
»Das ist unmöglich. Man kann sich nicht einfach so dazu machen.« Taylor schüttelte den Kopf.
»Aber man kann um diese Macht handeln. Indem man gewisse Opfer darbringt.«
»Genug von diesem Geschwätz.« Taylor unterbrach Ember. »Ember, kannst du Ant mit in die Teestube nehmen und ihn dort wieder in Ordnung bringen?«
»Natürlich.«
»Und nimm Trent auch mit.« Taylor warf Gray einen Blick zu. »Wir werden uns direkt zu Rens Farm portieren und in Erfahrung bringen, ob Harley weiß, wo sich sein Sohn herumtreibt.« Er fluchte. »Jetzt weiß ich auch, warum Ren immer so schnell überall ist. Er weiß, wo alle Portale sind … und er muss auch einen Schlüssel haben.«
»Ich komme mit euch.«
»Trent, geh lieber nach Hause und beweis deinem Onkel, dass du nicht tot bist.«
»Kapierst du das nicht, Mann? Ren hat mich dazu benutzt, die Nachricht von dem Brand im Café zu verbreiten. Und dann hat er mich irgendwie bewusstlos gemacht und mich in den Straßengraben gelegt. Er wusste, dass ich beim Aufwachen alles vergessen haben würde. Und somit habe ich auch kein Alibi.«
»Aber wieso sollte er …« Taylor riss die Augen auf. »Er war sich nicht sicher, ob wir tatsächlich Cathleen dafür verantwortlich machen, das Feuer selbst gelegt zu haben.«
Gray nickte. »Langsam ergibt alles einen Sinn. Ren hat gesagt, Trent hätte ihn geweckt und ihn auf das Feuer aufmerksam gemacht. Und dann sorgte er dafür, dass Trent so lange verschwunden blieb, bis er als tatverdächtig galt.«
»Der Scheißkerl hatte also schon einen Plan B für den Fall, dass etwas schiefgeht.« Taylor war wütend.
»Ich kann also mitkommen?«, fragte Trent erneut.
»Keine Chance.«
Trent öffnete den Mund – ganz sicher, um dagegenzuhalten –, doch Ember tätschelte beschwichtigend seinen Arm. »Das ist nicht deine Reise, doch du wirst bald gebraucht. Hilf mir jetzt, Ant in meine Teestube zu bringen.«
Seufzend ließ Trent das zu. »In Ordnung.«
Ember nahm Gray zur Seite, legte ihm beide Hände auf die Schultern und sah ihm tief in die Augen. »Sie müssen den Kreis schließen, den Ren mit seiner Gier geöffnet hat. Bringen Sie den Frieden nach Nevermore und bringen Sie den Frieden zu sich selbst.«
»Das mache ich.«
»Viel Glück, Hüter.«
Ember und Trent halfen Ant auf die Füße. Dann öffnete Ember mit einem Winken ihrer Hand das Portal, und sie verschwanden alle drei.
Gray wandte sich zu Taylor. »Komm. Lass uns den Verräter aufspüren.«
14. KAPITEL
Lucinda erwachte vom Streit zweier Männer. Die eine Stimme erkannte sie sofort – Bernards wütender Tonfall war ihr nur allzu bekannt. Als sich ihre Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, erkannte sie eine Scheune, in der sie sich befand. Man hatte sie gefesselt und gegen eine raue Holzwand gelehnt. Es roch so stark nach Dung, dass Lucinda durch den Mund atmen musste.
Ein Stück neben ihr lag Happy auf einer altersschwachen Tür, die man auf zwei Sägeblöcke gelegt hatte. Das Mädchen schwitzte und zitterte. Sie war nicht festgebunden, aber Lucinda spürte einen Zauber, der sie an die Tür fesselte. Bernard war ein
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