Wladimir - die ganze Wahrheit über Putin
äußerlich gibt es gut zu beobachtende Verhaltensmuster eines closet gay, zum Beispiel WWPs rührende platonische Liebe zu dem bekannten Filmregisseur Alexander Sokurow, dessen Filme dank Putins persönlicher Fürsprache finanziell unterstützt werden. Aber das ist noch nicht alles. Nach einem in Kinokreisen verbreiteten Gerücht hat der Kreml-Herr einige lobbyistische Anstrengungen unternommen, damit Sokurows Film Faust auf dem venezianischen Filmfestival 2011 den Goldenen Löwen erhält.
Mir geht außerdem folgende Geschichte nicht aus dem Sinn. Zeit der Handlung: Mai 1999. Sergei Stepaschin, dem der Ruf, schwul zu sein, hartnäckig folgt, ist gerade anstelle von Jewgeni Primakow zum Ministerpräsidenten von Russland ernannt worden. Von vielen wird er bereits als überaus wahrscheinlicher Nachfolger von Boris Jelzin gehandelt. Ort der Handlung: das Büro eines zu diesem Zeitpunkt einflussreichen russischen Oligarchen. Handelnde Personen: der Oligarch und ich, sonst niemand. Der Oligarch fragt mich: »Was meinst du, wenn wir unseren Mann in den Kreml bringen, wie können wir ihn dann kontrollieren?«»Gar nicht«, antworte ich. »Der Status und die Befugnisse des russischen Präsidenten sind so umfassend (vor allem in der Vorstellung des Volkes), dass der von Ihnen eingeschleuste Nachfolger jederzeit seine Verpflichtungen vergessen beziehungsweise wie einst Zarin Anna Iwanowna ›die Konditionen zerreißen‹ kann.«»Das meine ich auch«, sagt der Oligarch. (Später stellt sich heraus, dass er nicht so dachte, sondern mir nur aus Höflichkeit zustimmte.) »Da fällt mir nur eines ein: die gleichgeschlechtliche Liebe. Ja, nur sie.« Er meinte damit, dass nur kompromittierendes Material bezüglich einer Homosexualität ein mehr oder weniger effektives Mittel sei, um im Fall der Fälle Druck auf den künftigen russischen Präsidenten auszuüben.
WWPs Ruf als Schwulen-Ikone festigte sich im Sommer 2007, als er mit Prinz Albert von Monaco nach Sibirien zum Angeln fuhr. Das Angeln endete mit einer wahrhaftig erotischen Fotosession, bei der Putin und Albert oben ohne posierten und ihre Angelruten in den Händen hielten. Die Fotos wurden in allen großen Zeitungen der Welt veröffentlicht. Die Schwulen-Community in Moskau war begeistert. Mir ist nicht genau bekannt, wie es um Alberts Ruf in dieser Hinsicht steht, auch wenn es verschiedene Gerüchte gab und gibt. Aber kurz danach wurde auf einmal bekannt, dass seine Geliebte auch eine junge Russin und Sportlerin ist, allerdings im Eiskunstlaufen – es handelte sich um Marina Anissina. Das Schema Putin–Kabajewa wurde also praktisch eins zu eins übertragen.
Fast jeder in der Expertengemeinschaft des Sports spricht davon, dass Prinz Albert, der eine bedeutende Figur in der internationalen Sportbewegung ist, seinem Freund Wladimir Putin geholfen hat, Sotschi als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014 zu begünstigen, obwohl Sotschi im Vergleich mit objektiv stärkeren Konkurrenten – Salzburg und das koreanische Pyeongchang – zunächst kaum Chancen hatte.
Eine Sensation war das persönliche und öffentliche Zusammentreffen Wladimir Putins mit der 45-jährigen Masha Gessen, einer herausragenden Figur der LGBT-Community und bekannten Aktivistin im Kampf für die Rechte sexueller Minderheiten. Das Treffen fand am 11. September 2012 statt, am elften Jahrestag des schrecklichsten Terrorangriffs der Menschheitsgeschichte, und zwar in der Vorstadtresidenz des Präsidenten in Nowo-Ogarjowo. In den letzten Jahren regiert Putin ziemlich schwach und richtet seine Aufmerksamkeit eher auf seine persönlichen Probleme und Vorlieben – angefangen von den Bikern bis hin zu Tigern und Kranichen. Viele einflussreiche Personen – föderale Minister, Oberhäupter der Regionen und Milliardäre – können manchmal monatelang nicht zu ihm vordringen, um Fragen der staatlichen Lenkung zu besprechen.
Für Masha Gessen fand Putin jedoch sofort Zeit. Der Grund ihres Zusammentreffens übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Im Januar 2012 leitete Frau Gessen die Zeitschrift Wokrug sweta – das Organ der Russischen Geografischen Gesellschaft (RGO), einer gesellschaftlichen Institution, als deren Patron Präsident Putin in Erscheinung tritt. Am 1. September trat Gessen von ihrem Posten zurück – angeblich als Zeichen des Protests gegen die Nötigung der Zeitschrift, von Putins Flug mit den Kranichen zu berichten. (Aus meiner Sicht war das ein durchaus beachtenswertes Ereignis.
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