Wo bist du
kommen?«
»Dort, wo ich hinmuss, kann ich dich nicht mitnehmen. Sie würden mir nicht ein Zwanzigstel von dem geben, was wir brauchen.«
»Sagst du schon wir, wenn du von dort unten sprichst?«
»Ich habe nicht darauf geachtet.«
»Wann kommst du zurück?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ich denke, in einem Jahr.«
»Wirst du das nächste Mal bleiben?«
»Philip, jetzt mach doch bitte kein Drama daraus. Wenn einer von uns beiden an einer Uni am anderen Ende des Landes studiert hätte, wäre es schließlich das Gleiche gewesen, oder?«
»Nein, die Ferien würden nicht zwei Stunden dauern. Gut, ich verbeiße mich, ich bin traurig und kann es nicht vor dir verbergen. Susan, du wirst alle Gründe dieser Welt finden, damit dir so was niemals passiert.«
»Damit mir was niemals passiert?«
»Dass du das Risiko eingehst, dich zu verlieren, indem du dich an jemanden bindest. Hör auf, dauernd auf die Uhr zu schauen!«
»Es ist Zeit, das Thema zu wechseln, Philip!«
»Wann wirst du aufhören?«
Sie zieht die Hand zurück und kneift die Augen zusammen. »Und du?«
»Womit soll ich deiner Meinung nach aufhören?«
»Mit deiner großen Karriere, deinen mittelmäßigen Zeichnungen, deinem kleinen Leben.«
»Jetzt bist du wirklich gemein!«
»Nein, ich bin einfach direkter als du, das ist bloß eine Frage der Ausdrucksweise!«
»Du fehlst mir, Susan, das ist alles. Und ich bin zu schwach, es dir zu sagen, aber du machst dir keine Vorstellung, wie wütend ich manchmal bin.«
»Vielleicht sollte ich diejenige sein, die vor die Tür geht und wieder reinkommt. Tut mir wirklich Leid, ich schwöre dir, ich habe nicht gedacht, was ich gesagt habe.«
»Hast du wohl, etwas anders vielleicht, aber das kommt aufs selbe raus.«
»Ich will nicht aufhören, nicht jetzt. Philip, das, was ich erlebe, ist manchmal sehr hart, aber ich habe den Eindruck, dass es wirklich etwas ganz Wichtiges ist.«
»Das ist es ja, was mich so eifersüchtig macht, was ich so absurd finde.«
»Eifersüchtig auf was?« »Nicht wichtig genug zu sein, um diesen Funken in dir zu entzünden; mir sagen zu müssen, dass nur die Verzweiflung der anderen dich fasziniert, als würde sie dir helfen, deiner eigenen zu entkommen, statt ihr die Stirn zu bieten.«
»Du gehst mir auf die Nerven, Philip!«
Er hebt plötzlich die Stimme. Sie ist äußerst erstaunt, und - was selten vorkommt - sie kann ihn nicht unterbrechen, obwohl ihr das, was er sagt, überhaupt nicht gefällt: Er lehne ihr humanitäres Gerede ab. Für ihn verstecke sie sich in einem Leben, das seit dem traurigen Sommer im Alter von vierzehn Jahren nicht mehr das ihre war. Durch die Leben, die sie rettete, versuche sie, das ihrer Eltern zu retten. Weil sie sich schuldig fühle, dass diese an besagtem Tag nicht die asiatische Grippe und sie damit gezwungen habe, zu Hause zu bleiben.
»Versuch nicht, mich zu unterbrechen«, fährt er in herrischem Ton fort. »Ich kenne all deine Seelenzustände, all deine Gegenargumente, ich weiß jeden Ausdruck in deinem Gesicht zu deuten. In Wirklichkeit hast du Angst zu leben, und um diese Angst zu überwinden, hast du dich entschlossen, anderen zu helfen. Aber du kämpfst nicht, Susan. Was du verteidigst, ist nicht dein Leben, es ist das ihre. Was für ein sonderbares Schicksal, diejenigen zu ignorieren, die dich lieben, um denjenigen Liebe zu schenken, die du nicht kennst! Ich weiß, dass es dir Kraft gibt, aber du ignorierst dich selbst.«
»Manchmal vergesse ich, dass du mich so sehr liebst, und ich fühle mich schuldig, dich nicht genauso lieben zu können.« Die Zeiger der Wanduhr drehen sich unnormal schnell; Philip gibt auf, er hat ihr so viel zu sagen, er wird es ihr schreiben. Ihnen bleibt kaum Zeit, ein paar Augenblicke der zwei Jahre mitzuteilen, die er auf sie gewartet hat. Susan lässt eine gewisse Müdigkeit erkennen, sie findet, dass sich Philips Gesicht verändert habe, dass es männlicher geworden sei, was er als Kompliment auffasst. Er findet sie noch hübscher. Beide werden sich darüber klar, dass dieser kurze Moment nicht ausreichen wird. Als die knisternde Stimme aus dem Lautsprecher die Passagiere ihrer Maschine zum Einsteigen auffordert, will er lieber am Tisch sitzen bleiben. Sie mustert ihn.
»Ich begleite dich in Zukunft nur bis zur Tür, wenn du länger als vier Stunden bleibst. Merk dir das für deinen nächsten Besuch.« Er zwingt sich zu einem Lächeln.
»Dein Mund, Philip! Wie der von Charlie Brown.«
»Ich
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