Wo bitte geht's nach Domodossola
Stockholm sah verlockend aus. Die Sonne lachte, die Luft war sauber und so frisch, als wäre es Ende Oktober und nicht Anfang April, und im Hafen leuchtete das Wasser so blau wie in einem Swimming-pool. Ich schlenderte über den Strandvägen, ein großer Boulevard, an dessen einer Seite der Hafen, der voller schaukelnder Boote war, lag und an dessen anderer Seite eine Reihe imposanter Wohnhäuser standen. Ich wollte zu einem Park namens Djurgården. Er erstreckt sich über eine ganze Insel mitten in der Stadt und ist ein kleines Paradies.
Im Grunde ist es nur ein Stadtpark voller Bäume und grüner Hügel, doch dazwischen liegen die verschiedensten Attraktionen versteckt – das Nordiska, das Nordische Museum, ein Rummelplatz, ein Zirkus, das »Komedie Teatern«, ein naturwissenschaftliches Museum, das riesige Freilichtmuseum Skansen, ein Museum für Technik und vieles mehr. Und gerade als ich dort ankam, erwachte alles zum Leben. Vor dem Skansen kurbelte ein Kioskbesitzer seine Markisen herunter, vor den kleinen Cafés wurden Tische und Stühle nach draußen gestellt, und an den Eintrittskartenschaltern bereitete man sich auf den fröhlichen Trubel vor, der bald über sie hereinbrechen würde.
Im morgendlichen Sonnenschein spazierte ich über die Insel. Alle paar Hundert Meter teilte sich die Straße in drei oder vier Nebenstraßen, und welche ich auch nahm, jede führte mich in eine Landschaft von bezaubernder Schönheit – zu einer Aussicht über das Wasser auf die grünen Kupferdächer der Innenstadt, zur Statue eines Helden namens Adolphus oder Gustavus auf einem tänzelnden Pferd, in ein kleines, bewaldetes Tal von zartestem Grün, in dem sich golden die Sonnenstrahlen brachen. Ich entdeckte auch ein Internat auf der Insel und die italienische Botschaft und andere Dinge, die ich in einem öffentlichen Park nicht vermuten würde. Diese Parks zählen zu den zahlreichen Vorzügen europäischer Städte. Da gibt es das Tivoli, den Bois de Boulogne, den Prater in Wien. Das sind mehr als nur Parks. Das sind nicht nur Orte, die man aufsucht, wenn man frische Luft schnappen oder einen Spaziergang machen will. Dort kann man anständig essen oder einen Vergnügungspark besuchen oder ein Observatorium, einen Zoo oder ein Museum besichtigen. Und der Djurgården ist vielleicht der schönste von allen. Ich verbrachte dort einen halben Tag, machte einen gemütlichen Rundgang um die Insel und viele Pausen, um die Aussicht zu genießen oder vor dem Skansen einen Kaffee zu trinken und zuzusehen, wie eine Familie nach der anderen eintraf. Und ich war wieder voller Bewunderung für Stockholm. Ich ging in die Innenstadt zurück, zur Drottninggatan. Im strahlenden Sonnenschein machte die Straße einen nicht halb so schlimmen Eindruck. Zwei Wagen der Straßenreinigung waren damit beschäftigt, den Müll vom Samstagabend einzusammeln, was ich für ein ermutigendes Zeichen hielt. Allerdings nahmen sie es mit ihrer Arbeit nicht allzu genau, denn was in den Hauseingängen lag oder unter einer Bank oder an einem anderen dieser zahllosen Orte, an denen Müll meistens landet, befand sich außerhalb der Reichweite der Bürsten. Alles in allem ließen die Reinigungswagen etwa ebenso viel Abfall zurück, wie sie einsammelten. Und sie waren noch nicht verschwunden, da lagen schon die nächsten Zigarettenschachteln und Coca-Cola Dosen auf dem Pflaster.
Ich wollte mir eine englische Zeitung kaufen, und außerdem brauchte ich Taschentücher für meine verschnupfte Nase, aber weit und breit hatte kein Geschäft geöffnet. Sonntags ist Stockholm die wohl ausgestorbenste Stadt Europas. Ich trank einen Kaffee bei McDonald’s und deckte mich mit rund fünfundsiebzig Servietten ein. Anschließend schlenderte ich über eine niedrige Brücke zu den beiden hübschen, verschlafenen Inseln Skeppsholmen und Kastelholmen im Hafen und von dort zurück in die Gamla Stan, die nun, im Sonnenschein, wie verzaubert schien. Die senf-und ockerfarbenen Häuser glühten förmlich, und die Schatten in den Türen und Fenstern verliehen allem eine Plastizität und Schwere, von der am Tag zuvor nichts zu spüren gewesen war. Ich machte einen Rundgang um den kolossalen Königspalast (mit seinen 600 Räumen ist er tatsächlich ein Koloß), der wohl zu den langweiligsten Gebäuden gehört, die je gebaut wurden. Ich würde ihn nicht unbedingt häßlich nennen; er ist einfach langweilig und besitzt ungefähr so viele Besonderheiten wie ein mit Löchern versehener
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