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Wo bitte geht's nach Domodossola

Titel: Wo bitte geht's nach Domodossola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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angerast kommen, nicht die leiseste Absicht haben, zu halten, denn auf Zebrastreifen achtet hier niemand. Anders als in Paris fahren sie einen in Rom nicht vorsätzlich über den Haufen. Es geschieht eher zufällig, was zum Teil daran liegt, daß italienische Autofahrer dem, was vor ihnen auf der Straße passiert, keinerlei Beachtung schenken. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt zu hupen, wild zu gestikulieren, andere Autos davon abzuhalten, sich in ihre Spur zu drängeln, Liebe zu machen, ihren Kindern auf dem Rücksitz eine runterzuhauen und ein Sandwich von der Größe eines Baseballschlägers zu verdrücken, manchmal auch alles auf einmal. So nehmen sie einen Fußgänger frühestens im Rückspiegel wahr, wenn er leblos hinter ihnen auf der Straße liegt. Aber auch wenn sie einen sehen, halten sie nicht. Das meinen sie nicht persönlich. Sie glauben einfach, Hindernisse seien dazu da, um aus dem Weg geräumt zu werden. Das gilt für Telegrafenmasten ebenso wie für einen Besucher aus dem Mittleren Westen. Nur bei Nonnen machen sie eine Ausnahme. Selbst ein römischer Autofahrer würde keine Nonne über den Haufen fahren. Scharenweise sieht man sie wie vom Wind aufgewirbelte schwarzweiße Papierfetzen absolut ungehindert über achtspurige Straßen huschen. Wer also einen so belebten Platz wie die Piazza Venezia überqueren will, dessen einzige Hoffnung ist zu warten, bis eine Gruppe von Nonnen vorbeikommt, und sich dann an ihre Fersen zu heften.
    Ich liebe es, wie die Italiener parken. Um welche Ecke man in Rom auch biegt, in jeder Straße sieht es aus, als hätte man soeben einen Einpark-Wettbewerb für Blinde verpaßt. Die Autos stehen kreuz und quer durcheinander, mal auf dem Gehsteig, mal daneben, mal längsseits, mal vorwärts, mal rückwärts eingeparkt. Sie blockieren Garagen, Seitenstraßen und Telefonzellen und wurden in so winzige Parklücken gezwängt, daß die Insassen nur durch das Schiebedach ausgestiegen sein können. Die Römer parken ihre Autos, wie ich es tun würde, wenn ich mir gerade einen Becher Salzsäure über den Schoß gekippt hätte.
    Als ich eines Morgens über die Via Sistina schlenderte, schoß ein Fiat Croma an mir vorbei und kam dreißig Meter weiter quietschend zum Stehen. Noch im selben Augenblick hatte der Fahrer den Rückwärtsgang eingelegt und steuerte mit kaum verminderter Geschwindigkeit in umgekehrter Richtung auf eine Parklücke zu, die exakt so groß war wie sein Fiat, vielleicht einen knappen Meter kürzer. Ohne den Fuß vom Gas zu nehmen, scherte er ein und krachte geräuschvoll in einen geparkten Renault. Etwa eine Minute geschah gar nichts. Nur ein leises Zischen war zu hören. Dann sprang der Fahrer aus dem Wagen, starrte verblüfft und ungläubig auf das Bild der Verwüstung, das sich ihm bot – verbeultes Metall, zersplitterte Rücklichter, ein lose herabbaumelndes Auspuffrohr – und tat, was vermutlich fast jeder Italiener tun würde. Er versetzte dem Renault einen wütenden Tritt in die Seite, so daß auch die Tür eine Delle bekam, stieg wieder in seinen Fiat und raste genauso wahnsinnig davon, wie er gekommen war. Es kehrte wieder Friede ein in der Via Sistina, abgesehen von dem gelegentlichen Scheppern, wenn ein Metallteil des lädierten Renaults zu Boden fiel. Außer mir schien niemand davon Notiz zu nehmen. Italiener parken überall. In der ganzen Stadt kann man beobachten, wie sie ihre Autos in Zwischenräume von der Größe eines Sofakissens manövrieren, während sie in beiden Fahrtrichtungen den Verkehr aufhalten, so daß sich jeder Fahrer im Umkreis von fünf Kilometern veranlaßt sieht, sich wie besessen auf seine Hupe zu lehnen. Ist die Lücke zu klein für ein Auto, schmücken die Römer sie mit Abfall – mit einer leeren Zigarettenschachtel, einer halb verzehrten Pizza, siebenundzwanzig Zigarettenkippen, einer Waffel in einer kleinen Lache aus altem Eiskrem, über der die Fliegen tanzen, mit einer öligen Sardinenbüchse, einer zerfetzten Zeitung oder mit so unerwarteten Dingen wie einer Schaufensterpuppe oder einer toten Ziege.
    Nicht einmal der Müll hat mich besonders gestört. Ich weiß, daß Rom schmutzig und überfüllt und ein einziges Verkehrschaos ist, doch auf seltsame Weise gehört auch das zu den Reizen dieser Stadt. Neben Rom ist New York die einzige Stadt, die ich kenne, von der sich das sagen läßt. Und tatsächlich erinnerte mich Rom in vielerlei Hinsicht an New York – da gab es dieselben Geräusche, denselben Dreck,

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