Wo brennt s denn - Vom Grossbrand in der U-Bahn bis zur Schlange im Klo Die unglaublichsten Einsaetze einer Feuerwehrfrau
» der beim Schlittschuhlaufen eingebrochen ist. Kaltes Wasser. Also eine sehr gute Prognose, weil Zellen in der Kälte länger überleben. Wir waren auch in kürzester Zeit bei ihm. Ich hoffte so sehr, es möge gelingen … aber nein«, er schüttelte den Kopf.
» Manchmal ist es doch auch umgekehrt, oder?«, fragte ich. » Ich habe gehört, dass es Fälle gibt, wo sehr alte Menschen reanimiert werden, die vielleicht lieber gestorben wären.«
» Natürlich fragen wir nach einer Patientenverfügung«, sagte der Arzt. » Aber oft gibt es keine. Oder der Patient hat mit den Angehörigen niemals über seine Wünsche gesprochen. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.«
» Klar«, nickte ich. Sterben ist, wie geboren werden, ein Teil des Lebens. Meistens kennen wir die Patienten nicht, zu denen wir gerufen werden. Entscheidungen müssen von uns in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Dass das vielleicht nicht im Sinne der 80-jährigen Großmutter war, schwant manchen Angehörigen womöglich erst später, wenn sie die liebe Oma auf der Intensivstation besuchen, wo sie im Koma liegt, künstlich ernährt und beatmet, und niemand sagen kann, ob sie jemals wieder aufwachen wird – und in welchem Zustand.
Lehrjahre in der bayerischen Provinz
Während ich heute als Feuerwehrfrau in München innerhalb von wenigen Minuten bei einem First-Responder-Einsatz zur Reanimation bin, dauerte dies in Gunzenhausen-Weißenburg auf dem Land länger. Da waren Fahrzeiten von 20 bis 30 Minuten keine Seltenheit, und oft erreichten wir mit dem Sanka sogar fünf bis zehn Minuten vor dem Notarzt den Einsatzort und konnten die Reanimation schon einmal einleiten. Bei widrigen Witterungsverhältnissen kann man auf dem Land nicht von geräumten Straßen ausgehen:
Es hatte seit Mittag stark geschneit, und ich war im Nachtdienst auf der Rückfahrt von einem Notarzteinsatz, da hörte ich über Funk, dass ein Notarzt zu einem schweren Verkehrsunfall angefordert wurde. Der zuständige Notarzt war noch im Einsatz gebunden. Er versorgte einen Patienten im Rettungswagen, dessen Zustand instabil war. Ich beschloss einzuspringen, obwohl ich allein im Notarzteinsatzfahrzeug hinter dem Rettungswagen unterwegs war, und meldete mich über Funk an.
» Achtung, Straße extrem glatt«, wurde ich gewarnt. Das merkte ich selbst bei jeder Berührung des Bremspedals und bei jeder Kurve, die ich im Schneckentempo nahm. Meine Nervosität stieg Minute für Minute, ich wollte schnell dort sein, wo Hilfe nötig war.
Endlich am Unfallort angelangt, hätte ich gut zwei Dutzend Hände gebraucht! Es gab mindestens zwei schwer verletzte Frauen, und ein Mann war in seinem Passat eingeklemmt. Obwohl ich einen klaren Kopf behielt, war ich völlig überfordert. Immerhin konnte ich Prioritäten setzen, das ist bei mehreren Verletzten vordringlich: Wer braucht am nötigsten Hilfe. Eine der beiden Frauen hatte deutliche Schockanzeichen. Ihr Bauch fühlte sich hart an, ein Hinweis auf ein Bauchtrauma und innere Verletzungen. Es gibt Patienten, die kann man draußen auf der Straße nicht verarzten, die müssen schnellstmöglich in den OP : Wenn ein Verletzter aus der Leber blutet, hat man nur wenig Zeit. Ich hätte einen Hubschrauber gebraucht, doch der würde bei einem solchen Wetter nicht starten.
Endlich sah ich das blaue Licht zucken, und dann kamen sie nacheinander: ein RTW und die Feuerwehr im NEF , dem Notarzteinsatzfahrzeug. In der Folge ging einiges schief, denn in dem Wunsch, so schnell wie möglich zu helfen, kam es zu Kommunikationsproblemen. So retteten die Einsatzkräfte als Erstes den laut schreienden Fahrer aus dem Passat und brachten ihn zum RTW . Aber dieser Patient hatte keine Priorität! Doch es war zu spät, wir konnten ihn ja nicht von der Trage in den Straßengraben schubsen. Es dauerte zehn Minuten, bis der zweite RTW für die Frau eintraf. Sie verstarb auf dem Weg ins Krankenhaus. Das ging mir noch lange nach. Da tat es gut, mit Kollegen sprechen zu können.
» Nix reinfressen«, erinnerte uns einer der Ärzte. » Alles im Team besprechen.«
Immer wieder musste ich mich damit abfinden, dass wir nicht alle Patienten retten konnten, zu denen wir gerufen wurden. Heute habe ich das akzeptiert. Es liegt nicht in unserer, schon gar nicht in meiner Hand. Oder, um mit dem Brandner Kasper zu sprechen: » Wenn es dir aufgesetzet ist, musst du mit.« Da hilft kein Kartenspiel und kein Kerschgeist. Wenn es dir bestimmt ist, kommst du vielleicht in den Himmel,
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