Wo Dein Herz Zu Hause Ist
Erfolge im Leben. Das war vermutlich dumm von mir gewesen, aber darüber hatte ich tatsächlich noch nie nachgedacht. Matthews Großmutter hat viel geweint. Sein Großvater überhaupt nicht. Er hat einfach nur neben ihr gesessen und ihre Hand gehalten. Er, Henry und Matthew gehörten zu den Sargträgern. Die anderen kannte ich nicht. Sheila sagte, einer von ihnen wäre
Schauspieler am Abbey Theatre. Ich war noch nie im Abbey, also konnte ich das auch nicht wissen.
Matthew ist ziemlich schweigsam. Er liegt bloß auf seinem Bett und hört traurige Musik. Meistens Carole Kings
So Far Away
und T. Rex’
Cosmic Dancer
. Er hat sich diese beiden Songs stundenlang angehört. Zuerst war es traurig, und dann wurde es langsam nervig. Ich habe nicht mehr hingehört. Er hat keine Lust darauf, sich zu unterhalten, aber das ist in Ordnung. Er will mich auch nicht anfassen, und das verstehe ich. Er will eigentlich gar nichts machen. Er erinnert mich ein bisschen an Mam. Ich hoffe, er ist in Ordnung. Ich hoffe, er kommt bald wieder in Ordnung. Ich hoffe, dass sich nichts verändert, aber es ändert sich trotzdem alles. Morgen Nachmittag fährt er ins Internat zurück, und seine Großeltern haben immer noch nichts dazu gesagt, wie es für ihn weitergehen soll. Diese Familie ist wirklich komisch.
19. Oktober 1975 Sonntag
Matthew ist wieder in seiner Schule. Ich fasse es nicht. Ich habe ihn verpasst. Seine Großeltern wollten irgendwo mit ihm mittagessen gehen und haben ihn anschließend gleich nach Dublin gefahren. Henry hat gesagt, sie haben sich ziemlich plötzlich dazu entschlossen, und dass Matthew mich nicht anrufen konnte, weil wir kein Telefon haben. Jetzt ist er weg. Ich weiß nicht, wann er wiederkommt. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt wiederkommt. Ich weiß gar nichts mehr. Ich konnte ihm nicht einmal Auf Wiedersehen sagen. Ich fasse es nicht.
21. Oktober
Liv,
es tut mir so leid, dass ich dich nicht mehr gesehen habe, aber Großvater wollte mich nicht bei dir vorbeigehen lassen. Du musst dir keine Sorgen machen. Er hat mit mir geredet und war der Meinung, dass ich alt genug bin, um in den Schulferien in meinem eigenen Zuhause zu wohnen. Er hat mit vierzehn schon angefangen zuarbeiten , also hält er mich nicht mehr für ein Kind. Er hat mit Henry gesprochen, der sich bereit erklärt hat, den Betrieb zu leiten. Und jetzt kommt das Beste – wenn ich will, kann ich jedes Wochenende nach Hause kommen.
Henry hat gesagt, dass er mich immer gerne zu Hause sieht, und Großvater findet, dass ich mich so viel wie möglich mit den Pferden beschäftigen und das Geschäft lernen soll. Kannst du dir das vorstellen? Ich komme am Freitag Abend nach Hause. Heute ist Donnerstag (tut mir leid, dass ich gestern nicht schreiben konnte, ich musste auf einen Schulausflug in so eine langweilige Höhle). Wenn du diesen Brief liest, bin ich also schon auf dem Nachhauseweg.
In Liebe, Matt
P.S. Alles wird gut.
21 Ich weiß, dass ich es schon einmal gesagt habe, aber dieses Mal meine ich es ernst
Harri stand von ihrem Stuhl auf und sah ihre Eltern an.
«Was tust du da, Liebling?», fragte Gloria.
«Ich verzeihe euch», sagte Harri.
Gloria und Duncan sahen erst sich an, dann ihre Tochter.
«Ich weiß, dass ihr gedacht habt, ihr würdet das Richtige tun. Ich weiß, dass ich wahrscheinlich in einem Heim gelandet wäre, wenn ihr mich nicht aufgenommen hättet, und davon abgesehen war es gut, als Mitglied der Familie Ryan aufzuwachsen. Ich bin froh, eine Ryan zu sein.»
Duncan lächelte. «Gut», sagte er. «Sehr gut», wiederholte er. «Was?», fragte er dann noch niemand Bestimmten.
Glorias Augen füllten sich mit Tränen. «Wir sind so glücklich, dass du es so empfindest, Harri. Wir lieben dich unendlich.»
«Ich weiß», sagte sie. «Ich weiß, dass ihr mich liebt, und auch George weiß das, obwohl er mir gesagt hat, dass er vorhat, euch diese Geschichte frühestens in einem oder zwei Monaten zu verzeihen.»
«Ach Liebling, das ist wieder typisch George», sagte Gloria lachend und machte eine wegwerfende Handbewegung.
Harri setzte sich wieder. «Morgen esse ich mit Matthew Delamere zu Abend», sagte sie, und die Mienen ihrer Eltern erstarrten.
«Ich habe Dr. McCabe angerufen. Ich habe ihn zufällig an Livs Grab getroffen, und er hat gesagt, ich soll ihn anrufen. Das habe ich getan, und er hat mich zum Essen eingeladen und gemeint, Matthew würde mich auch gerne sehen.» Sie schluckte. «Vor lauter
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