Wo Dein Herz Zu Hause Ist
er sei wegen seiner Tochter wiedergekommen, und blieb taub für all ihre Bitten um ein Gespräch. Es interessierte ihn nicht. Er wollte weder Gründe, Erklärungen oderEntschuldigungen hören noch irgendwelche Daten oder Einzelheiten wissen. Er wollte nichts weiter als Schweigen. Und mit diesem Schweigen folterte er sie für Tage und Wochen, aus denen inzwischen Monate geworden waren.
Im Searson’s war kaum etwas los, und Susan registrierte dankbar, dass der Barkeeper, der zum Zeugen der peinlichen Szene geworden war, heute nicht arbeitete. An seiner Stelle servierte ihr eine Frau einen Wodka Tonic, den sie dringend nötig hatte. Sie zog sich mit ihrem Glas in eine Nische zurück und vermied jeden Blick in Richtung der anderen Sitzecke, in der ihre Ehe ihr vorläufiges Ende gefunden hatte. Sie setzte sich, stellte ihre Handtasche ab und fuhr ein paar Mal mit dem Finger außen an dem Glas auf und ab, bevor sie den Inhalt mit einem Schluck austrank. Sie war bei ihrem zweiten Drink, als sie Melissa anrief, um sie zu bitten, ins Searson’s zu kommen. Susan hörte, dass sie zögerte, doch offenbar klang ihre Stimme so verzweifelt und tränenerstickt, dass Melissa sagte, sie sei in einer Stunde da. Damit sie nicht gleich betrunken war, bestellte sich Susan etwas zu essen. Noch bevor sie fertig gegessen hatte, saß Melissa bei ihr am Tisch.
«Tut mir leid, dass ich dich so einfach herbestellt habe.»
«Was ist denn los?»
«Ich glaube, meine Ehe ist endgültig am Ende.» Susan hatte sich noch nie so deutlich ausgedrückt.
Melissa nickte. «Bei der Eheberatung ist es also nicht so gut gelaufen.»
«Es hat überhaupt nicht geklappt», sagte Susan seufzend. «Ich konnte nicht reden. Ich konnte nicht offen sagen, was ich getan habe.»
«Und Andrew?»
«Er wollte sowieso von Anfang an nicht hin. Er wird mir nie verzeihen.»
«Und jetzt bist du sicher?», sagte Melissa, und ihre Stimme klang zweifelnd. Sie verstand einfach nicht, wie sich Susan so lange von Andrew bestrafen ließ.
Entweder ihr klärt das, oder ihr trennt euch
.
«Ich kenne ihn. Wie waren schließlich sechsundzwanzig Jahre lang verheiratet.» Sie schüttelte den Kopf. «Sechsundzwanzig Jahre. Und wenn ich ihn jetzt ansehe, sehe ich bloß noch seine Wut. Er hasst mich richtig. Er wird mir nie die Gelegenheit zu einer Erklärung geben. Manchmal denke ich, er ist erst zufrieden, wenn ich mir einen Strick nehme. Er will gar nicht, dass es wieder besser wird. Und ich will einfach nur noch, dass es vorbei ist.»
Melissa fuhr sich mit der Hand durchs Haar. «Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.» Sie war zwar froh, dass Susan offenbar genug davon hatte, sich quälen zu lassen, doch vorsichtshalber ging sie nicht weiter darauf ein. Schließlich hatte Susan schon oft genug gesagt, es würde ihr endgültig reichen.
Ich wünschte, ich könnte dir glauben
.
«Es gibt ja auch nichts zu sagen.» Susan lachte unglücklich auf. «Ich wollte ein bisschen mehr Aufregung in meinem Leben und, tja, ich habe sie bekommen.» Sie kippte ihren Wodka und winkte der Barfrau mit dem Glas, damit sie Nachschub bekam. «Mein Mann will, dass ich leide. Und ich leide ja auch, aber anscheinend noch nicht genug.» Nachdem sie ihr Glas ausgetrunken hatte, ließ sie sich von Melissa nach Hause fahren. Melissa begleitete sie hinein.
Die arme Susan, sie ist in sechs Monaten sechs
Jahre gealtert. Sie hat mehr als genug gelitten. Andrew, du mieses Schwein!
Beth war mit einer Freundin im Kino. Andrew saß am Küchentisch und las Zeitung.
Als Melissa in die Küche kam, stand Andrew auf.
«Melissa.»
«Andrew.»
«Ich habe nicht mit dir gerechnet.»
«Ich habe Susan nach Hause gefahren. Sie ist im Bad.»
«Ach so.» Er nickte.
Sie verfielen in Schweigen. Die Situation war beiden etwas peinlich.
«Kaffee?», sagte er nach ein paar Augenblicken.
«Nein, danke.»
«Tee?»
«Nein danke.»
«Wasser?» Er lächelte sie an.
«Nichts», sagte sie. Es ärgerte Melissa, dass er so freundlich zu ihr sein konnte, während er gegenüber der Frau, die ihm sechsundzwanzig Jahre ihres Lebens gewidmet hatte, den Eisberg spielte.
Wir machen alle mal Fehler, Andrew. Du bist garantiert auch kein Engel
.
«Setz dich doch», sagte er.
Sie setzte sich mehr aus Gewohnheit, als um ihm einen Gefallen zu tun. «Andrew», sagte sie nach einem kurzen Schweigen.
«Ja?» Er lächelte sie erneut an.
Hör mit dem Gelächle auf, oder ich dreh dir den Hals um.
«Ich halte nichts davon, mich in die
Weitere Kostenlose Bücher