Wo der Elch begraben liegt
Britta in Värnamo geschickt.
» Aber es war ja gar nicht sicher, dass sie die Betreffende war. Als Agnes nach Hause gegangen war, habe ich deshalb den Brief an alle Britta Bergströms in Schweden gesandt.«
» Du bist ja verrückt«, sagte Frida und setzte sich auf die Treppe.
» Hier ist die Antwort.«
» War es die Richtige in Värnamo?«
» Nein, aber die Frau war so glücklich, eine Mail zu bekommen, dass sie vorschlug, einen Briefwechsel zu starten, obwohl sie sich gar nicht kennen.«
» Bingo! Und hast du die richtige Britta gefunden?«
» Nein«, erwiderte Dani und lachte. » Aber Agnes bekommt viele neue Freunde.« Das Lachen erstarb und verwandelte sich in ein stilles Lächeln.
» Wenn du willst, gebe ich ihr das Kuvert, wenn sie zurückkommt. Ich weiß gar nicht, wo sie jetzt ist«, sagte Frida.
» Gern, danke. Ausgezeichnet. Aber nur, wenn ich auch für dich etwas tun kann. Am liebsten sofort, solange ich noch so angezogen bin. Vielleicht kann ich dir ja meine Gesellschaft für einen Spaziergang anbieten? Du siehst aus, als ob du etwas Bewegung gebrauchen könntest. Wolle ist hervorragend für Bewegung geeignet.«
» Woher weißt du das alles?«, sagte Frida und schüttelte amüsiert den Kopf. » Ich muss tatsächlich mein Auto abholen, und wenn ich darüber nachdenke, wäre ein bisschen Gesellschaft nicht schlecht.«
Sorgfältig rückte Dani seine Schirmmütze zurecht und warf Frida einen dramatischen Blick zu. »Du und ich, wir sollten Hand in Hand durchs Leben gehen«, sagte er ernst.
» Es ist ein gutes Stück zu laufen, nur damit du weißt, worauf du dich einlässt.«
» Kein Problem. These boots are made for walking. Ein Klischee, ich weiß, aber es stimmt«, sagte Dani und blickte auf seine schwarzen Herrenschuhe hinunter.
» Du bist völlig verrückt, weißt du das? Warte mal kurz, ich lauf nur schnell hoch und hole meine Jacke und die Autoschlüssel.«
Agnes sah ein, dass sie völlig den Verstand verloren hatte. Von wie vielen Oberschenkelhalsbrüchen hatte sie schon gehört? Sich freiwillig auf ein Fahrrad zu setzen, das erste Mal seit zehn Jahren, noch dazu im Februar– das konnte man nur als Irrsinn bezeichnen. Oder Größenwahn. Mit pumpendem Adrenalin im Körper, so wie es schon seit Jahren nicht mehr vorgekommen war, hatte sie sich mit dem rechten Fuß abgestoßen und sich darauf konzentriert, das Gleichgewicht zu halten. Die Lenkstange schwang hin und her. Noch hatte sie nicht genügend Fahrt aufgenommen. Doch dann konnte sie sich nochmals richtig gut abstoßen, und plötzlich ging es. Sie setzte den rechten Fuß aufs Pedal und bekam den Hintern schnell auf den Sattel herunter. Das Fahrrad schlingerte hin und her, bis sie die richtige Position gefunden hatte, und ihr Herz schlug einen Takt schneller, während sie sich auf den Sturz vorbereitete, der ihr vielleicht das Becken brechen würde. Doch er kam nicht. Sie schwankte und wankte umher, doch es ging. Langsam nahm sie etwas Fahrt auf, und damit kam das Gleichgewicht und ganz langsam ein Gefühl, als ob sie schwebe. » Man muss davonschweeeben«, hatte ihr Vater gesagt, als er ihr vor langer Zeit das Fahrradfahren beigebracht hatte. Und Agnes schweeebte. An Björkmans Haus vorbei– schade, dass er gerade nicht herausguckte– und ein paar Sekunden später auch vorbei an Eiwors Haus. Obwohl ihr Tempo gemäßigt war, hatte Agnes das Gefühl zu rasen. Sie fühlte sich leicht, unverwundbar und völlig frei, als ob ihr die ganze Welt offen stünde und aus eigener Kraft zu erobern wäre. Mit dem Wind im Haar fuhr sie Richtung Norden, zur Abzweigung nach Hultet. Sie hatte Muster, Garn und anderes Material in einer Tragetasche im Fahrradkorb. Sie dachte an Aliana. Wie fingerfertig das Mädchen wohl war? Wenn sie sich für Stickerei begeistern konnte, war es grenzenlos, was die beiden zusammen erschaffen könnten– die Lehrerin und ihre begabte Schülerin. Obwohl ein kalter Wind über die Felder blies, spürte Agnes Wärme in sich aufsteigen. Jetzt wurden auch die Wintertage weniger. Es war schon viel heller.
Sie waren ein drolliges Paar. Sie in Jogginghose und Mantel, das helle Haar wie ein hochragendes Vogelnest auf dem Kopf, und er in seiner dunkelblauen Bahnhofsvorsteheruniform mit Schirmmütze. Dani rappte und summte im Gehen einen Schlager: » Mal bin ich heiß, mal bin ich kalt, ich bin alles, was du willst. Wie schwer das wohl ist?« Frida lachte in sich hinein. Ihm schien es nicht im Mindesten peinlich zu sein.
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