Wo der Elch begraben liegt
aufgehört und es nicht auf die Spitze getrieben. Danach hatte er sich mit einem Buch ins Bett gelegt, anstatt vor dem Fernseher einzudösen. Es war die Geschichte eines armen Jungen, der in einem von Krieg heimgesuchten Land aufwuchs. Normalerweise ließ sich Åke nicht von Sachen beeinflussen, die er las, und vor allem schaffte er es nicht, sich selbst in einer größeren Perspektive wahrzunehmen, doch jetzt war es so offensichtlich geworden. Wie gut es ihm doch eigentlich ergangen war. Welches Recht hatte er überhaupt, sich so furchtbar leidzutun, wenn es Menschen gab, denen es richtig schlecht ging? Während er mit seinem Buch im Bett lag, hatte er gedacht, dass er sich eigentlich dafür schämen müsste, sich in seinem eigenen Unglück zu suhlen. Was war er doch für ein Schlappschwanz! Der vor Selbstmitleid zerfließende Fettwanst aus Eksjö. Er lachte über sich selbst. Waren all seine Bemühungen am Ende darauf hinausgelaufen?
Sein Magen knurrte. Åke wartete auf die übliche Lust auf Pizza und einen Muntermacher. Er hatte doch wohl noch eine Pizza im Gefrierfach? Das Wasser lief ihm bei diesem Gedanken allerdings nicht im Mund zusammen. Im Gegenteil, er verspürte ein Ekelgefühl, als er sich den durchdringenden Geruch der Pizza vorstellte. Er hatte Appetit auf etwas anderes. Saft vielleicht? Frischer Orangensaft, mit einem kleinen Starken aus dem Schrank. Oder nein, keinen Schnaps. Heute nicht. Zumindest nicht so früh. Später vielleicht. Nein, auch nicht später. Er sollte mit diesem Mist aufhören. Zumindest mit der Pizza. Wieso aß er nicht wie früher Grütze mit Milch? Hatte er nicht Haferflocken in der Speisekammer gesehen? Die mussten dann allerdings älter als drei Jahre sein. Wie lange hielten sich Haferflocken? Nicht so lange. Er musste neue kaufen. Er musste zu Hemköp fahren und bessere Lebensmittel kaufen. Leberpastete und Gurken. Vielleicht Obst. Dann konnte er auch gleich neue Putzmittel besorgen. Es war an der Zeit, die dreckige Wohnung in Angriff zu nehmen. Aufräumen, Aussortieren, Schrubben. Es reichte jetzt mit der schlechten Luft und der Muffigkeit. Heute würde er lüften. Richtiger Durchzug. Wie hoch die Heizkosten auch ausfallen würden.
Außerdem hatte Björkman angerufen und gesagt, dass die Fahrräder fertig seien. Er müsste sie also zu der neuen Familie bringen, damit sie sich freier fühlen konnte.
Zum ersten Mal seit drei Jahren hatte Åke an einem ganz normalen Sonntag viel zu tun.
Frida hörte, dass es unten bei Agnes an der Tür klopfte. Warum machte sie nicht auf? Als das Klopfen hartnäckig weiterging und einen bizarren Rhythmus annahm, zog sie Jogginghose, Pullover und Hausschuhe an und lief die Treppen hinunter. Unten stand ein junger Mann in einer dunkelblauen altmodischen Uniform mit großer, abgewetzter Schirmmütze. Er drehte sich um, als er die Schritte auf der Treppe hörte. Es war Dani. Er hatte Habachtstellung eingenommen und hielt einen dicken, silberfarbenen Umschlag in der Hand.
» Guten Morgen, schöne Dame. Welch wunderbarer Tag!«
» Was hast du denn da an?«
» Die Uniform eines Stationsvorstehers, glaube ich. Sie lag auf dem Dachboden. Sehr gute Qualität. Reine Wolle. Sie passt mir! Siehst du?«
» Ja, aber warum?«
» Ich habe Post für Agnes und wollte wie ein Briefträger aussehen. Hat das nicht große Ähnlichkeit?«
» Sehr«, erwiderte Frida lächelnd. » Was für Briefe kommen denn sonntags in einem Silberumschlag?«
» Oh, nichts Besonderes, nur ein kleiner Scherz, dem wir uns verschrieben haben.«
Dani erzählte von dem Abend, als Agnes und die Arbeitsgruppe sich bei ihm zu Hause getroffen hatten, um neue Ideen zu entwickeln, mit denen man Leute nach Bruseryd locken könnte. Agnes war völlig fasziniert von den ganzen Bildschirmen gewesen, und es hatte damit geendet, dass Dani den Gästen einen langen Vortrag darüber hielt, wie das Internet funktionierte. Als er erläuterte, dass man alte Bekannte im Internet suchen könne, war Agnes ganz außer sich geraten. Sie wollte unbedingt Kontakt mit ihrer alten Jugendfreundin Britta Bergström aufnehmen, mit der sie in die gleiche Schneiderklasse gegangen war. Sie hatte im Smålandsbladet gelesen, dass es eine Britta Bergström in Värnamo gab, und fragte sich, ob sie es sein könnte. Wenn es zuträfe, wäre es ja nicht so weit entfernt, und dann könnten sie sich wie früher treffen und miteinander reden. Also hatten sie gemeinsam einen Brief aufgesetzt, eine E-Mail, und diese dann an
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