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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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hiergeblieben war, weil sie es mehr als alles andere wollte.
    » Aber warum sind Sie dann nicht fortgegangen?«
    » Das war nicht möglich. Ich war Einzelkind, traf nie einen Mann, mit dem ich eine Familie hätte gründen können, und als meine Eltern dann alt wurden, war es mein Los, mich um sie zu kümmern. Das war früher eben so.«
    » Aber Sie hatten doch eine Ausbildung. Sie hätten es sicher überall geschafft.«
    Agnes trat ans Fenster und rüttelte vorsichtig an der Gardine. Ein paar tote Insekten fielen zu Boden.
    » Ja, aber ich hatte wohl auch Angst. Kein schöner Gedanke, es vielleicht nicht zu schaffen und dann nach Hause zurückkehren zu müssen. Und hier war ich ja auch jemand. Ich hatte eine gewisse Position, wenn auch nur als Handarbeitslehrerin. In einer Großstadt wäre ich vielleicht nicht weit gekommen. Hier in der Provinz gibt es eine Sicherheit, die man nur schwer aufgeben kann.«
    » Wo wären Sie gern hingegangen?«
    Agnes lächelte bei diesem Gedanken, antwortete aber nicht.
    » Los doch, sagen Sie schon! Jönköping? Stockholm?«
    » Lieber ganz hoch hinaus«, erwiderte Agnes. » Paris natürlich! Es wäre doch toll gewesen, für die großen Modehäuser zu nähen, schöne Stoffe aus aller Welt zu sehen, mit interessanten Modeschöpfern zu arbeiten, mit anderen Leuten zusammenzusitzen, die Nadel zu schwingen und dann später, wenn das Kleid oder der Rock fertig wäre, mit seinen Kollegen zu feiern. Und dann vielleicht nachmittags in einem schönen Café auf der Champs-Élysées sitzen, mit einer Stickerei im Schoß, und eine mondäne Person in einer Kreation über die Avenue gehen sehen, an der man selbst genäht hat. Das waren meine Träume. Albern, nicht wahr?«
    » Das ist ganz und gar nicht albern. Sind Sie in Paris gewesen?«, fragte Frida.
    » Nein. Ich war einmal in Hamburg, aber das ist ja kein Vergleich. Aber ich hab’s ja im Fernsehen gesehen.«
    Frida betrachtete Agnes plötzlich in einem ganz neuen Licht. Es schien, als ob die hellgrauen Locken dunkler wurden, das Gesicht Farbe, der Blick eine ganz andere Entschlossenheit bekam, und beinahe konnte sie Agnes vor sich sehen, in einem Restaurant sitzend, im Hintergrund der Triumphbogen, und in eine enthusiastische Unterhaltung mit ihren Freundinnen vertieft.
    » Vielleicht ist es noch nicht zu spät?«
    » Aber natürlich ist es das. Jetzt ist es, wie es ist. Ich bleibe hier zurück…«, seufzte Agnes. » Nun, jetzt müssen wir uns hier aber mal nützlich machen.«
    Agnes hatte gefegt und gescheuert, und Frida hatte Karton nach Karton mit Flaschen und Zeitungen zum Wagen getragen. Wenn alles weg sollte, müsste sie wohl mehrmals zum Recyclinghof fahren. Frida hatte eine Wegbeschreibung bekommen und wollte eine Ladung allein abtransportieren, während Agnes blieb und sich des Kühlschranks annahm.
    Jetzt war sie an der örtlichen Recyclingstelle angekommen und parkte vor den Glascontainern. Dort stand noch ein Wagen, ein Jeep. Der Mann mit der Lederjacke lud seine Müllsäcke vor den weißen Container. Frida blieb im Wagen sitzen und beobachtete ihn bei der Arbeit. Mit seinen blonden, zotteligen Haaren und den groben Gesichtszügen erinnerte er sie an diesen fiesen britischen Koch, wie hieß der noch gleich? Er wirkte müde, beinahe fertig, hatte aber früher bestimmt einmal sehr gut ausgesehen. Irgendetwas an seinen hastigen und leicht ruckartigen Bewegungen kam ihr bekannt vor.
    Frida begann, ihre Kästen mit den alten, durchsichtigen Explorer-Flaschen auszuladen. Die sollten ebenfalls in den weißen Container. Irgendwie war es albern, hier in der Schlange stehen zu müssen, während der restliche Recyclinghof vollkommen leer war. Jedes Mal, wenn eine Flasche auf den anderen landete und zerbrach, gab es ein ohrenbetäubendes Geräusch. Sie bereute, dass sie sich so dicht daneben gestellt hatte, doch jetzt wieder in den Wagen zu klettern, wäre sehr auffällig. Je länger sie ihn betrachtete, desto mehr war sie davon überzeugt, ihn schon einmal gesehen zu haben, und das nicht nur, als sie an seinem Haus vorbeigelaufen war. Irgendetwas an Mund und Augen kam ihr sehr bekannt vor, seine Bewegungen, die Art, wie er sich zur Seite drehte, wenn er eine neue Flasche nahm und sie in das schmutzige Loch des Behälters stopfte. Plötzlich tauchte in ihrem Kopf eine Melodie auf. Irgendwo in ihren Gehirnwindungen hörte sie das Intro und sah seine Hand sich über die Saiten bewegen.
    Sie sah das MTV-Video an sich vorbeiflimmern, in dem der

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