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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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durchaus erwarten, auf ein Haus mit einer funktionsfähigen Klingel zu treffen. Ich muss extra einen Elektroniker kommen lassen, denn mit einer Reparatur bin ich total überfordert. Außer Latein kann ich eigentlich nichts.“
    Ilona lachte. Sein Auftreten war ihr augenblicklich sympathisch, etwas, womit sie nicht unbedingt gerechnet hatte nachdem, was sie über ihn so gehört hatte.
    „Ich habe da einen unbekannten Text von Vergil, den ich gern mal übersetzt haben würde“, sagte sie mit breiten Grinsen.
    „Wenn das stimmt, sind Sie auf der Stelle Millionärin. Quellen aus der Antike werden hoch gehandelt, Neuentdeckungen sind für Normalsterbliche unbezahlbar. Wenn wir uns die Einnahmen teilen, helfe ich gern.“
    Eine ganze Zeit ging es zwischen den beiden hin und her. Es gab kein Eis, das hätte gebrochen werden müssen, auf der Stelle waren Ilona und Peer Stung miteinander im Redefluss. Irgendwann deutete sich die erste Gesprächspause an.
    „Sie werden leider einen bestimmten Grund haben, warum Sie mich aufsuchen“, erwies sich Peer Stung als Charmeur. Seine offen ausgebreiteten Hände brachten seine Bereitschaft zum Ausdruck, seinem Gegenüber ungern etwas auszuschlagen.
    „Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll, Herr Stung. Unsere Begrüßung ist so nett, dass ich Angst habe, sie werden gleich die Tür zuschlagen, wenn ich Ihnen den Grund meines Besuchs sage.“
    „Ich höre, Frau...“
    „Semmler. Ilona Semmler. Die Frau von Manfred Semmler.“
    Ilona war nicht erstaunt, als Peer Stung den Augenkontakt abrupt beendete. Bestenfalls wird er jetzt darüber nachdenken, was zu tun ist.
    „Ich habe keine Lust...“
    „Ich weiß, Herr Stung“, unterbrach Ilona. „Reden Sie trotzdem mit mir. Geben Sie mir einen Kredit nach unserer schönen Begrüßung. Bitte!“
    Sicher war sich Peer Stung nicht, als er seufzte: „Kommen Sie rein.“
    Vom Flur ging es in einen Raum, der alle Elemente eines Arbeits- und Schlafzimmers vereinte. Auf der einzigen Sitzgelegenheit, einer Minicoach, nahmen die beiden nebeneinander Platz, eine Sitzordnung, mit der sich Ilona nicht sonderlich wohl fühlte. Sofort wollte sie eine überzeugende Erklärung für ihr Erscheinen abgeben, denn der Kredit konnte schnell verspielt sein. Ihr war klar, dass sie mit der Wahrheit sehr flexibel umgehen musste, wenn sie Peer Stung auskunftswillig machen wollte.
    „Mein Mann ist mir ein Rätsel geworden. Und er lebt nicht mehr lang. Ich muss wissen, mit wem ich da seit über einem viertel Jahrhundert verheiratet bin. Ich habe einiges erfahren, was mich erschrecken lässt.“
    Das saß, denn sofort schienen Ilona und Peer Stung etwas gemeinsam zu haben: schlechte Erfahrungen mit Manfred. Nun suchte der Schulleiter wieder den Augenkontakt mit Ilona, neugierig begutachtete er sie von der Seite.
    „Sie sehen mitgenommen aus, wenn ich das sagen darf, Frau Semmler .“
    „Wenn Sie ein Glas Wasser...“
    „Selbstverständlich“, so stand Peer Stung auf der Stelle auf, um Getränk und Glas zu holen. Erneut registrierte Ilona die Freundlichkeit des Schulleiters. Alles, was sie über ihn gehört hatte, erschien ihr als blanker Unsinn. Dieses ganze Gerede ist fürchterlich und kostet alle Beteiligten nur unwahrscheinlich viel Energie, kam es ihr in den Kopf. Schlimmstenfalls wird Peer Stung viele Seiten haben, aber wer hat die nicht.
    „Und als ich von den Auseinandersetzungen zwischen Ihnen und meinem Mann hörte...“
    „Ich setze mich mit Ihrem Mann nicht auseinander.“
    „Ich verstehe... Aber es hat sie mitgenommen. Sie haben ihn auf offener Straße angeschrien und...“
    „Sagt man sowas? Nein, Frau Semmler. Ihr Mann hat mich im Supermarkt angesprochen. Und zwar in einer sehr penetranten Art. Ich sagte lediglich dreimal auf Wiedersehen zu ihm. Beim letzten Mal etwas lauter. Das war‘s.“
    Kann es einen Zweifel geben, dass es so gewesen ist, fragte sich Ilona. „Und der Anwalt?“
    „Ich sagte ja schon, ich führe keine Auseinandersetzung mit Ihrem Mann. Es war unter aller Würde, wie Ihr Mann in das Lehrerzimmer trat und mir mit unterwürfigen Sätzen einen Brief auf meinen Platz legte. Sie wollen um seine Wörter wissen?“
    „Nein!“, hörte man Ilona entschieden sagen. Dass man den eigenen Partner auch mal für peinlich hält, bringt eine lange Beziehung mit sich, wusste sie. Aber gleich so peinlich...
    „Auch unabhängig von den aktuellen Merkwürdigkeiten Ihres Mannes habe ich keinen Grund, eine gute Meinung von ihm zu

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