Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
Pseudonym Ottokar, das Sie in den Akten gelesen haben und das Sie offenbar sehr beschäftigt hatte, um einen gewissen Otto Karbert handelte. Sie schrien ihn sogar an, ob er es war, der einen Mann namens Karl Semmler umgebracht hat, der von Otto Karbert der Gestapo ans Messer geliefert worden war...“
„Sie erinnern sich sehr gut.“
„Sie wurden auch bald ein ausdrückliches Thema in diesem Haus... Mein Mann schaute Ihnen aus dem Fenster nach, wie Sie in die Hotelpension Ambatti gingen. Und dann machte er das, was Sie mal mit ihm gemacht hatten. Er verfolgte Sie. Ihre Aufgeregtheiten passten nicht zum souveränen Auftreten des Nazijägers, den wir bei unserem ersten Besuch kennen gelernt hatten. Und das Erste, was ihm auffiel, war Ihr Auto.“
„Wenn man mein Gefährt denn als ein solches bezeichnen konnte...“
„Eben. Ein völlig heruntergekommenes Fahrzeug, das überhaupt nicht zu einem Auto, geschweige denn zum Dienstwagen eines hohen Angestellten der nicht unvermögenden Annemarie-Deffgens-Stiftung passte. Mein Mann schrieb Ihr Nummernschild auf.“
„Der Rest war für einen ehemaligen Gestapo-Chef eine Kleinigkeit“, vermutete Manfred.
„Nicht ganz. Mein Mann musste mehr wühlen, als er dachte. Er konnte sich Zugang zu Nazi-Netzwerken verschaffen, deren Hauptzweck darin bestand, alte Kameraden im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland unterzubringen. Die vermittelten ihm einen Beamten, der beim Nummernschild weiterhalf.“
„Werwolf Zwei, so etwa“, kam Manfred in Bezug auf die Nazi-Seilschaften in den Kopf und schaute zu Klaus II.
„Der Beamte aktivierte sein Netzwerk. Von einem anderen Beamten, der beim Verfassungsschutz arbeitete, erfuhr er alles über sie.“
„Wie bitte? Vom Verfassungsschutz?“
„Was lässt sie daran staunen? Dass dort ehemalige Nazis beschäftigt waren oder dass Sie dort bekannt waren? Sie hatten mal ein Verhältnis mit einer Terroristin, Ihre auffällige ASTA-Arbeit an der Frankfurter Uni und Ihre Artikel in dem halbsubversiven Stadtmagazin Pflasterstrand kamen hinzu.“
„Streichen Sie das mit dem halb“, kommentierte Manfred.
Klaus II. nickte anerkennend.
„Mein Mann Klaus Wilkens konnte eins und eins zusammenzählen“, fuhr Embrina Magotti mit einem ernsten Blick zu Klaus II. fort, „und so wurde ihm klar, dass es bei dem Karl Semmler, der der Keller-Gestapo von Otto Karbert auf den Blutteppich gelegt worden war, um den Vater von Ihnen, von Manfred Semmler, handeln musste.“
Manfred Semmler holte tief Luft. „Darf man hier rauchen?“, fragte er. Klaus II. drehte ihm bereits eine Zigarette.
„Mein Mann besorgte sich Ihre Diplomarbeit. Er bekam immer mehr Respekt vor Ihnen. Und nicht nur das.“
Embrina Magotti forderte Klaus II. nun wortlos ebenfalls um eine Rauchware auf, der somit aus dem Drehen kaum noch rauskam, da auch er, wie immer, Bedarf spürte. Bald rauchten alle drei.
„Bitte weiter.“ Manfred hatte den letzten Satz von Embrina Magotti nicht vergessen.
„Halten Sie was aus, Herr Semmler?“
„Ich habe Krebs in irgendeinem höheren Stadium. Von daher bin ich geübt.“
„Ach du Schreck... Entschuldigung.“ Embrina Magotti dachte an ihren Kommentar von vorhin über Manfreds Aussehen.
„Kein Problem, egal“, sprach der. “Scheißegal sogar.“
Jetzt war es Embrina Magotti, die tief Luft holte. „Als mein Mann starb, konnte er seinen Tod erst akzeptieren, nachdem er mir Verschiedenes über seine Tätigkeit als Gestapo-Chef gebeichtet hatte und ich ihm trotzdem meine Zuneigung nicht entzog. Ich hatte früher schon vieles erfahren, aber um seine persönlichen Verbrechen hatte er fast immer einen Bogen gemacht.“
Manfred ahnte was kommt.
„Er hat Ihren Vater erschossen. Im Keller des humanistischen Gymnasiums.“
Wieder spielte jetzt die Luft eine Rolle, Manfred schnappte nach ihr. Was im Folgenden gesagt wurde, ließ Manfred nicht besser gehen. Zuerst sprach Klaus II., dabei mehrmals nickend, dann Embrina.
„Klaus Wilkens war darauf angewiesen, dass Embrina ihn damit annimmt.“
„Denn ohne Erleichterung seines Gewissens stirbt der Mensch eines ruhigen Todes nicht.“
*
Manfred hatte genug gehört. Ilona gab er tags darauf anderes zu verstehen.
„Ich habe genug gesehen. Die Berge hier sind auch nicht groß anders als bei uns. Liegen halt über dem Meeresspiegel.“
Aus der gewünschten nachhaltigen Herzensfreude durch einen Genuss der italienischen Landschaft wurde somit nichts. Ilonas
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