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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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Neugier über den Inhalt des Gesprächs hatte er gleich nach seiner Rückkehr zum Campingplatz befriedigt. Jedoch war dabei die Bedeutung, die Klaus Wilkens‘ Verbrechen für dessen Seelenzustand in den letzten Tagen seines Lebens hatten, unerwähnt geblieben.
    „War Klaus Wilkens ein mehrfacher Mörder?“, fragte Ilona auf der Rückfahrt, als sie bereits die italienische Grenze passiert hatte.
    „Ein fleißiger Schreibtischmörder war er allemal. Ob er selbst mehr als einmal Hand angelegt hat, weiß ich nicht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Embrina Magotti darüber Auskunft geben wollte. Bezüglich meines Vaters sah sie sich mir gegenüber wohl in der Informationspflicht.“
    „Wie hat sie auf das Geständnis ihres Mannes reagiert?“
    „Du stellst Fragen, das weiß ich nicht...“
    „An dem Thema kann man doch kaum vorbeigehen. Darüber habt ihr nicht geredet?“
    „Ich sagte doch, nein, das Thema hat mich nicht besonders interessiert.“
    „Es hat dich nicht interessiert?“
    „Mein Gott, ich war damit beschäftigt, dass Wilkens eigenhändig meinen Vater umgebracht hat.“
    „Aber gerade deswegen muss es dich doch interessiert haben, ob er damit gegenüber seiner Frau durchgekommen ist.“
    Manfred wurde lauter, zwar nur etwas, aber wahrnehmbar. „Sag mal, was willst du, ich hab‘ doch gesagt, dass ich woanders war!“
    „Du musst dich doch nicht gleich aufregen, du musst doch...“
    „Ilona, für mich gab es Wichtigeres. Punkt. Vielleicht ist deine Frage ja ein typisch weiblicher Zugang. Frag‘ sie doch! Mann, Mann, Mann.“
     
    *
     
    Das ist schon was, dachte Ilona, als sie nicht schlafen konnte und wach in ihrem Bett in die Dunkelheit starrte. Manfreds wenig ehrenhafte Taten in früheren Jahren, die sich ihr im Laufe seiner Krankheit nach und nach offenbart hatten, waren manchmal nicht leicht zu verdauen gewesen. Aber letztendlich hatte der bekannte und so oft bestätigte Satz, dass eine Liebe Vieles tragen kann, ihre Empfindungen gegenüber Manfred, zuletzt auf dieser Reise nach Italien, bestimmen können.
    Dabei hatte Manfred in seinem Leben ja sehr wohl, dachte Ilona weiter, ein richtiger kleiner Schurke sein können. Manchmal nur in der Qualität, dass man grinsen musste, ja, ihn fast hätte knuddeln können. Bisweilen aber auch so, dass einem ganz anders, und zwar nicht angenehm, werden konnte. Das Umsonst-Trinken in der Kneipe von Aaron Cat gehört genauso in die Schmunzel-Abteilung wie das Techtelmechtel mit der Frau vom Professor; bei Letzterem stand eigentlich, fand Ilona, eher das Verhalten des Professors in der Schusslinie, denn schließlich hatte der ja alles planmäßig hinter dem Rücken von Manfred so organisiert, wie es dann gekommen ist.
    Schon schlimmer wog es für Ilona, als sie in dieser Nacht in ihrem Bett schlaflos am Grübeln war, dass Manfred tausend Mark von seiner Mitbewohnerin Conny gestohlen hatte, zumal Conny auch alles andere als reich war. So etwas hat nicht jeder auf der Negativseite seiner Biografie vorzuweisen, resümierte Ilona. Das war schon eine richtig kleine Missetat und konnte nur wenig dadurch relativiert werden, dass auch in diesem Fall das Opfer, also Conny, Manfreds Verhalten selbst initiiert hatte.
    Manfreds gemeine Nachrede wider besseren Wissens gegenüber dem verstorbenen Vater von Hermine Seligen auf einer Veranstaltung zum Nationalsozialismus vermochte Ilona kaum halbwegs sicher zu bewerten. Falsche Aufgeregtheiten in fließendem Übergang zur Lüge, wie sie bei sensiblen politischen Themen in einer hochemotionalen Atmosphäre immer schnell produziert werden – so ordnete Ilona hier das Geschehen ein. Schwamm drüber, dachte Ilona und machte intuitiv eine Wischbewegung mit der Hand, auch wenn sie in ihrem völlig abgedunkelten Schlafzimmer gar nichts von ihren Gliedmaßen zu sehen vermochte.
    Gut, über den umgeschmissenen Grabstein habe ich ja schon genug nachgedacht, auch wenn das vor wiederholtem Weiterdenkenmüssen leider nicht immer schützt, wie ich gerade merke, dachte Ilona; letztendlich kann man Manfreds Aversionen gegen Werner als Folge seiner Liebe zu mir sehen. Richtig heftig dagegen war Manfreds Erpressung des Schulleiters, zumal er da ja noch nicht sterbenskrank war. Ein Arschloch war Manfred da, ohne Einschränkung. Ein richtiges Arschloch. Aber dann war er eben einmal ein Arschloch, mein Gott, Frau Embrina Magotti hat ja ganz anderes bei Klaus Wilkens aushalten müssen, ihn trotzdem geliebt.
    Jetzt stockten Ilonas Gedanken;

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