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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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konzentrieren“, sagte Jürgen mit angestrengten Blick auf die vor ihm liegenden Zeilen."
    „Ich kann…“
    „Das ist nicht fair, Manfred.“
    In einer solchen Kategorie denkt er doch sonst gar nicht, dachte Manfred. Sonst spricht er auch ganz anders. Manfred wollte gerade sagen, dass er nach der Einleitung das Referat übernehmen will, da hörte er Jürgen den Professor fragen: „Sollen wir anfangen?“
    Bevor der Professor antworten konnte, war Jürgen bereits aufgestanden. Er gedachte im Stehen zu reden.
    „Erst mal schönen Tag“, sagte Jürgen mit einem kräftigen Kopfnicken und zurückhaltendem Blick. Er wollte um Sympathie buhlen, indem er sich schüchtern gab. Besonders gut konnte er sich aber nicht verstellen; sofort war er in seinem Element und das Element war er selbst.
    „Ich habe mir das so vorgestellt, dass ich kurz die Gliederung vorstelle, bevor ich die Quellenlage skizziere.“
    Dreimal ich in einem Satz, fiel Manfred auf.
    Mit Händen und Füssen, mehr rufend als redend und mit dem Brustton der Überzeugung, begründete Jürgen die gewählte Gliederung. Ein Unding wie er das macht, fand Manfred, wir sind hier doch nicht auf einer Demo, das ist doch gar nicht nötig, dass er so etwas Banales wie eine Gliederung verkauft wie eine Weltanschauung.
    Auch der Professor war wenig angetan von Jürgens Auftreten. „Es gibt einen Punkt, wo sich Leidenschaft und Wissenschaft widersprechen“, unterbrach er Jürgen. Der Gescholtene verstand sofort, hielt sich augenblicklich an den Hinweis. Unsicher hatte ihn die Ermahnung nicht gemacht. Mann, was ist der Kerl professionell, dachte Manfred.
    Jürgen las nun in einem halbwegs normalen Ton vom Blatt. Im Folgenden hörten sich die Seminarbesucher einiges an, was sie kaum überraschen konnte: Ein Bild Hitlers hatte den Eingangsbereich des humanistischen Gymnasiums von Neuenkirchburg geziert. Da man Humanismus für undeutsch hielt, wurde die Lehranstalt in Hermann-Oberschule umbenannt. Der Gruß mit der ausgestreckten rechten Hand und dem Ausspruch „Heil Hitler“ wurde Pflicht. Sexuelle Aufklärung war verboten. Viele sogenannte undeutsche Bücher flogen aus der Schulbibliothek. Jungvolk und HJ bestimmten die Gremien der Schülermitverwaltung; bei Schulbeginn und Schulschluss organisierten sie auf dem Hof das gemeinsame Singen von nationalistischen Liedern in Reih und Glied.
    Mit dieser Aufzählung wenig spannungsgeladener Eckpunkte der schulischen Entwicklung ging der Vortrag vorerst weiter: Rassenkunde und Vererbungslehre hielten Einzug in die neuen Lehrpläne. Die Mädchen mussten sich auf hauswirtschaftliche Fächer konzentrieren. Mit Beginn des Krieges blieben die Klassenräume oft ungeheizt, ab 1943 war das dann die Regel. Infolge ständigen Fliegeralarms und weil viele Räume für kriegswichtige Anliegen verwendet wurden, fiel immer mehr Unterricht aus.
    „Der Vortrag trieft nach Positivismus!“, rief ein Student aus der ersten Reihe mit einer herablassenden Handbewegung. Ohne Zweifel gefiel ihm der mittlerweile eine viertel Stunde lange Vortrag überhaupt nicht. Ilona guckte fragend in den Raum, der Begriff Positivismus war ihr unbekannt. Manfred beugte sich zu ihr rüber und sprach leise hinter vorgehaltener Hand: „Wenn man immer nur sagt, was alles so war, aber nichts erklärt, nicht über die Fakten hinausschaut.“
    Jürgen kannte den Begriff, er verstand auch den Vorwurf, zeigte sich aber erneut unbeeindruckt, wenn man von einer kleinen Pause in seinem Redefluss absah. Er wollte den Leistungsschein, den er für sein Studienheft benötigte. Alles andere interessierte ihn nicht.
    Gerade hob Jürgen erneut seine Stimme zum Sprechen an, da wurde er abrupt unterbrochen: „Also gut, jetzt bin ich ja mit meinem Teil dran.“ Jürgen erschrak, sofort waren alle Blicke auf Manfred gerichtet.
    Der ließ sich Zeit. Er überblickte seine Papiere und vergewisserte sich mit einem Blick zur Tafel, an welchem Punkt der Gliederung das Referat angekommen war. Manfred entschloss sich, nicht vom Blatt abzulesen, sondern seine Ausführungen frei zu halten. Sodann lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, faltete seine Hände und schaute in den Saal.
    „Also gut. Wir hatten uns das so gedacht“, sprach er und schaute dabei zu dem Studenten rüber, von dem die Zwischenbemerkung mit der herablassenden Handbewegung gekommen war, „dass wir zum Anfang einen Überblick über die Ereignisse geben, um von den nackten Tatsachen eine erste Idee zu bekommen, wie das

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