Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
Vom Netzwerk:
hat sich halt aus Versehen in unseren Unterlagen verloren.“
    Lachen im Saal. Einige Zuhörer klatschten kurz.
    „Machen Sie weiter“, forderte der Professor im strengen Ton. Mehr schien er über Ilonas Eigenmächtigkeit nicht wissen zu wollen.
    „Also gut, wie gesagt“, begann Manfred, „musste das Gymnasium im Laufe des Krieges immer mehr Räume für andere Aufgaben zur Verfügung stellen. Büros und Wohnungen waren durch die Bombardierungen immer knapper geworden und alles war dem totalen Krieg untergeordnet.“
    „Hierbei“, übernahm Ilona wieder das Wort, „fanden wir heraus, dass im September 1944 ein Teil der Kellerräume von der Schule frei gemacht werden musste. Eingezogen ist dort wohl die Gestapo.“
    „Denn im Protokoll der Lehrerkonferenz“, fuhr Manfred fort, „war vermerkt: ‚Die im Untergeschoss eingelagerten Materialien müssen in die noch zur Verfügung stehenden Klassenräume verlagert werden. Auf Anweisung der Polizei sind Tische und Stühle allerdings dort zu lassen‘.“
    „Sie dürfen sicher sein, dass es sich dabei um die Gestapo handelte. Nicht jeder zivile Beamte wollte die Gestapo beim Namen nennen, durfte er vielleicht auch gar nicht.“
    „Also gut“, war Manfred jetzt wieder dran. „Wir haben noch ein weiteres Indiz gefunden, das für die Gestapo spricht… Das könnte falsch verstanden werden“, korrigierte sich Manfred umgehend, „Ich meine natürlich, das dafür spricht, dass die Gestapo den Keller übernommen hat.“
    „Ist doch klar, was du meinst“, warf Ilona ein. „Bloß keine Reflexionsmaschine.“
    Der Professor schaute Ilona verwundert in die Augen, sogleich schien er grinsen zu müssen. Dabei zeigte er der Referentin den erhobenen Daumen.
    „Also gut. Im Januar 1945 findet sich im Protokoll einer Lehrerkonferenz unter dem Punkt Verschiedenes die Bemerkung, dass, ich zitiere jetzt, ‚der Kollege Herr Adolf Wegemann den leitenden Beamten der Staatspolizei aufgefordert hat, Volksfeinde nicht mehr zu den Öffnungszeiten der Schule zu transportieren‘.“
    „Das ist ungewöhnlich, dass die Gestapo so offen agierte“, merkte der Professor an.
    „So offen war das gar nicht. Die Gestapo hatte zu den Kellerräumen einen eigenen Eingang. Und der lag so, dass er von den Klassenräumen und vom Schulhof eigentlich nicht einsehbar war“, äußerte Ilona.
    „Aber warum stellte der Gefangenentransport dann ein Problem für die Schulleitung dar?“ Die Frage kam aus dem Publikum.
    „Vielleicht ging der Transport ja nicht immer ganz leise vonstatten.“ Wiederum hatte sich jemand von den Zuhörern eingeschaltet.
    „Und vielleicht war es ja im Keller auch nicht immer ganz leise“, erschrak Ilona.
     
    *
     
    Stundenlang war Manfred hin und her gelaufen, jedenfalls kam es ihm so lange vor. Seine Wohnungsgenossin Conny war außer Haus, er hatte die Zwei-Zimmer-Altbauwohnung in einem Viertel, das unmittelbar an die Frankfurter Innenstadt grenzte, für sich allein, das ganze Wochenende. Erst Sonntagnacht würde sie von ihren Eltern zurückkommen.
    Nach seiner ersten, ausgesprochen wechselvollen WG-Erfahrung lief das Zusammenleben, das er jetzt mit Conny hatte, richtig gut. Selten verging eine Woche, in der er mit ihr nicht einen langen Kneipenabend verbrachte oder sie zusammen ins Kino gingen. Einkaufen und Saubermachen erledigten sie oft gemeinsam. Sie mochten die ruhige Art des anderen, denn ihr unruhiger Geist und ihr komplexes Seelenleben bescherte ihnen schon genug an Aufregung. Dass sich die beiden bei aller Sympathie nicht möglicherweise ineinander verliebten, lag daran, dass Conny Frauen liebte. Seit vielen Jahren immer dieselbe.
    Aber auch wenn das Leben mit Conny harmonierte, so war Manfred im Moment froh, allein in der Wohnung zu sein. Er war so sehr mit seinen jüngsten Erlebnissen beschäftigt, dass selbst die Anwesenheit eines Freundes ihn im Moment gestört hätte. Er lief beim Nachdenken schon eine ganze Zeit quer durch die beiden Räume und die große Küche mit der anschließenden Veranda, aber das Ambiente der Wohnung konnte ihm ebenso wenig Halt geben wie das Umfeld. Zur Straße hin fand der Blick aus dem fünften Stock ein sich in den letzten Jahren stark veränderndes Straßenbild vor. Eine Menge neuer Essstuben, Kaffees und Kneipen hatte aufgemacht, ebenso eine Reihe kleiner und kleinster Buchläden, auch ein Musikschuppen, in dem Beatmusik gehört werden konnte. In einer anderen neuen Stätte, auch gleich um die Ecke der Wohnung gelegen,

Weitere Kostenlose Bücher