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Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Wo der Tod begraben liegt (German Edition)

Titel: Wo der Tod begraben liegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Gohlke
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Da vertraut jemand dem lieben Gott, dachte Manfred.
    Aber Eindrücke können bekanntlich täuschen und so sammelte Manfred im Folgenden geduldig die Fakten. Er gab vor, dass noch ein anderer Mann namens Klaus Wilkens für die Erbschaft in Frage käme und der Lebenslauf Klärung verschaffen kann. Bereitwillig gab Herr Wilkens Auskunft; Manfred hatte das Gefühl, dass sein Gesprächspartner ganz erfreut darüber war, dass sich jemand für ihn interessierte.
    Familienalben wurden gewälzt, Frau und Kinder vorgestellt, bebilderte Kriegserfahrungen als Besatzer im ruhigen Süd-Norwegen lebendig und eine im 16. Lebensjahr begonnene und bis heute nicht abgeschlossene Karriere als Briefträger überblickt. Alle Fotos zeigten einen Klaus Wilkens, dem bei allen altersbedingten Veränderungen stets zwei deutlich hervorstehende Schneidezähne ins Gesicht geschrieben standen, was Manfred als sicheren Beweis für die gleiche Identität der abgelichteten Personen nahm. Gedanklich erwies sich Herr Wilkens als entweder sehr überlegt oder als auffällig limitiert, rätselte Manfred. Aufmerksam registrierte Manfred an den Wohnzimmerwänden eine größere Anzahl von Wimpeln eines Fußballvereins aus der Verbandsliga Baden. Die Zwischenräume füllten Bilder von einem Sänger namens Rudi Schuricke und eine Urkunde für fünfundzwanzigjährige Mitgliedschaft in der Deutschen Postgewerkschaft.
    Irgendwann schloss Manfred es kategorisch aus, dass es sich bei seinem Gegenüber um den Menschen handeln kann, der Anfang 1945 seine Umgebung terrorisierte. Von einem Moment auf den anderen verabschiedete er sich; er würde bald Bescheid bekommen, sagte Manfred noch zu seinem Gesprächspartner, jeder weiteren Diskussion über das Testament aus dem Wege gehend. Auf dem Rückweg fuhr er mit 130 Stundenkilometern über die Fernstraße, ein Höllentempo, wie er angesichts brutal lauter Auto-Innengeräusche deutete.
    Bei der Vervollständigung seiner Suche orientierte sich Manfred an den Möglichkeiten, die ihm aus der Lektüre von Kriminalgeschichten bekannt waren. Er sichtete die Personenbestandsbücher des Standesamtes. Um einen Zufallstreffer nicht auszuschließen, wühlte er im Frankfurter Hauptpostamt alle deutschen Telefonbücher durch. Zu guter Letzt suchte er in den Sterberegistern verschiedener Pfarrämter seiner Heimatregion. Nichts war von Erfolg gekrönt, zwei Wochen Zeit vergingen. Wertvolle Zeit, denn für seine Diplomarbeit standen ihm lediglich vier Monate zur Verfügung; wenn er sich krankschreiben ließ, konnte er vielleicht noch einen fünften Monat erhaschen. So konnte es nicht weitergehen, stellte er fest und suchte zwecks Beratung die Sprechstunde des Professors auf, der seine Diplomarbeit betreute. Es war derselbe Professor, bei dem er vor elf Jahren zusammen mit Ilona das Referat über die NS-Vergangenheit des humanistischen Gymnasiums seiner Heimatstadt Neuenkirchburg gehalten hatte.
    „Du hast noch genügend Zeit, dein Thema weiter zu fassen. Schreib eine vergleichende Literaturarbeit. Die Diplomprüfungsordnung verlangt nicht zwingend eine selbstständige Quellensuche.“
    „Nein. Dann scheitere ich lieber.“
    Der Professor fasste sich an den Kopf. „Manfred. Du hast deine Mittlere Reife nachgeholt. Dein Abitur. Dann ein überaus ernsthaftes Studium hingelegt…“
    „Ich habe mir alles bewiesen, was ich mir beweisen musste. Und ich will sowieso keinen akademischen Beruf ergattern. Ich trinke dann eine Zeit halt öfter als üblich zu viel Alkohol und dann geht es weiter.“
    Der Dialog war nicht typisch für ein Gespräch zwischen einen Diplomanden und seinem Professor. Mittlerweile hätten die beiden Männer nicht mehr bestreiten können, miteinander befreundet zu sein.
    Der Professor atmete tief ein; er hielt es augenblicklich für zwecklos, Manfred von einer anderen Strategie überzeugen zu wollen. „Du hast die Briefe dabei?“, fragte er.
    Wortlos erhielt der Professor eine Mappe überreicht. Dort befand sich als Erstes der Brief von Paul Seligen, in dem er Adolf Wegemann zur Entschuldigung gegenüber Gestapo-Mann Klaus Wilkens aufgefordert hatte.
    „Schau mal einer an, der Klaus Wilkens war Kriminalassistenz. Der Personalmangel konnte einem früh zum Aufstieg verhelfen.“
    „Wie hoch war das denn?“
    „Die Gestapo verwendete die gleichen Dienstgrade wie die Kriminalpolizei, die arbeiteten sowieso eng zusammen.“ Der Professor musste auf seinen Schreibtisch klettern, um aus dem Regal ein Buch zu holen. Er

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