Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
öffentlichen Person zu schwadronieren, hätte er doch eher als arg unpassend empfunden. Nein, Manfred war zufrieden mit dem Ruhen der Münder und nutzte die Zeit, um darüber zu sinnieren, dass Embrina Magotti ganz offensichtlich schon lange um die Vergangenheit ihres Partners wusste; dass Klaus Wilkens sich nach seiner Ankunft vor nicht einmal einer Stunde zu einer Schnellbeichte entschlossen hatte, glaubte Manfred ausschließen zu können.
Und noch etwas grub sich Manfred ins Gedächtnis, eine Beobachtung, die er schon bei seinem Tabakkauf unten im Laden gemacht hatte und der er nun, in diesen Minuten des wortlosen Zusammensitzens, kaum aus dem Weg hatte gehen können. Die Bezogenheit von Klaus Wilkens und Embrina Magotti auf den Text des vor ihnen ausgebreiteten Plakates, ob sie nun dem wiederholten Lesen oder dem Kontakt zum Nirwana diente, geschah in einem gänzlich unterschiedlichen Augenspiel. Schaute Embrina ruhig, fast leblos, so flogen die Augen von Klaus Wilkens unaufhörlich hin und her. Mal von links nach rechts, mal von oben nach unten, wie auch immer. Manfred brauchte nicht lange, bis er verstand, dass es sich dabei nicht um ein besonders eifriges Studieren, sondern um Nervosität, vielleicht sogar eine ausgewachsene Nervenkrankheit handelte, die ganz offensichtlich dann Klaus Wilken zu beherrschen drohte, wenn die innere Unruhe zu stark wurde.
Als Manfred selbst aufgeregt wurde, erinnerte er sich daran, dass ihm ein bedächtiger Beginn der Zusammenkunft nur gelegen sein konnte, denn er erwartete heute Abend noch Unterstützung, eine Hilfe, die halbwegs zum richtigen Zeitpunkt erscheinen musste, dabei aber eher zu spät als zu früh kommen konnte. Gerade als Manfred das Gespräch zu eröffnen überlegte, schaute ihn Klaus Wilkens ruckartig an. Seine Augen blickten nun starr, als er fragte: „Woher wissen Sie davon?“
„Es ist ein Zweck unserer Stiftung, untergetauchte Funktionäre des Nazi-Regimes zu stellen.“
„Schön, dass ich erfahre, dass ich ein Funktionär war.“ Klaus Wilkens fuchtelte mit den Armen. „Sie beantworten meine Frage nicht.“
„Sie haben nicht allein im Keller gearbeitet. Auch könnten uns ehemalige Schüler oder Lehrer einen Tipp gegeben haben.“
„Namen nennen Sie also nicht“, verstand Klaus Wilkens.
„Warten Sie‘s ab... Aber warum sollten wir und was ändert das, Herr Wilkens? Wir wissen so einiges über Ihr Leben“, täuschte Manfred vor, „aber nicht, ob Sie noch in Netzwerken arbeiten, die unseren Informanten gefährlich werden könnten.“
„Sie wissen nichts über mein Leben.“
„Wir...“, weiter kam Manfred nicht. Der Telefonapparat klingelte.
Klaus Wilkens und Embrina Magotti guckten sich unschlüssig an; dass das Telefon in unmittelbarer Reichweite auf einem Regal stand, erleichterte Wilkens die Entscheidung den Hörer abzunehmen. Seinem „Buonasera“ folgte eine ganze Zeit nichts, der Anrufer schien in einnehmender Art eine Ansprache zu halten. Wortlos übergab Wilkens den Hörer irgendwann seiner Frau. Die kürzte ihre Begrüßung auf ein mattes „Si“ ab, hörte dann ebenfalls lange zu, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Schließlich sprach sie erneut, diesmal mit leicht eingeschüchterter Stimme, ein „Si“ und legte den Hörer auf die Gabel.
„Signore Germar Bublitz“, sagte sie zu Manfred.
So war es abgemacht, wusste Manfred. Der Professor hatte sich am Telefon als Germar Bublitz ausgegeben, der als Vorsitzender des Kuratoriums der Annemarie-Deffgens-Stiftung Klaus Wilkens und Embrina Magotti darauf verwies, dass sie unablässig beobachtet werden. Jeder Gedanke an Flucht oder Gewaltmaßnahmen gegen Herrn Ephraim Koshe seien zum Scheitern verurteilt.
„Das zeigt nur, dass Sie wirklich nichts über mein Leben wissen“, kommentierte Klaus Wilkens.
„Wir gehen immer so vor, Herr Wilkens. Und verfügen für jede Aufgabe über ausgezeichnete Mitarbeiter. Ausgebildet vom israelischen Geheimdienst, und die verstehen bekanntlich ihr Handwerk.“
„Ja, ja, schon gut. Ich hole gleich mein Maschinengewehr raus und ballere um mich... Jetzt sagen Sie mir, was Sie vorhaben.“
„Das hängt vor allem von Ihnen ab, Herr Wilkens“, sprach Manfred betont langsam, um seiner Äußerung Gewicht zu verleihen. Und dann erzählte Manfred das, was er wusste über die Tätigkeit der Keller-Gestapo. Von der Gründung der Diensteinheit wegen der Sabotage in der Zahnradfabrik Mertens, den zugemauerten Fenstern des Hauptquartiers im
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