Wo der Tod begraben liegt (German Edition)
verbindet“, kommentierte Manfred.
„Ja... Die Auseinandersetzung mit Klaus über seine Vergangenheit dauerte Jahre, es war heftig.“
„Und es endete mit einer Liebe... Herr Wilkens, Sie konnten damit leben, dass damals jeden Moment Ihre Vergangenheit bekannt werden konnte?“
„Ich merkte schon in den ersten Tagen, dass mich Embrina nur unter erheblichen Bauchschmerzen verraten könnte. Auch hatte das alles was Befreiendes für mich.“
Manfred fragte nach einem Aschenbecher. Embrina Magotti griff ins Regal und stellte ein kleines Tongefäß auf den Tisch.
„Sie waren es, der vor einigen Tagen bei mir VanAndern gekauft hat.“
„Auch schon vor einigen Monaten. Wir beobachten Sie nicht erst seit gestern“, log Manfred.
„So wichtig waren wir doch gar nicht. Wir waren nur eine kleine Dienststelle der Gestapo. Was bei uns passiert ist, das...“
„... ist hundertfach passiert, wollen Sie sagen, Herr Wilkens. Das macht es aber nicht besser und nicht weniger dokumentationswürdig. Wenn es denn überhaupt so ist.“
Klaus Wilkens seufzte und schaute mit leeren Blick in sein Weinglas hinein, er schien in einer Erwiderung keinen Sinn zu sehen. Vielleicht auch kein Recht, dachte Manfred.
„Wie sind Sie damals eigentlich Klaus Wilkens auf die Spur gekommen, Frau Magotti?“
Hilflos schaute Embrina Magotti zu ihrem Partner, aber Unterstützung kam von der Seite nicht. Bald merkten beide, dass ihre Unsicherheit offensichtlich war.
„Die Frage ist entscheidend dafür, wie Sie in Zukunft leben werden, Herr Wilkens“, sagte Manfred, nachdem er keine Antwort mehr erwartete. Er nahm sich ein Brot. Sofort legte er es zurück, auf der Stelle hatte er sich entschieden zu gehen.
„Ich komme in einer Stunde wieder. Und ich empfehle Ihnen über den Knackpunkt nachzudenken.“
An der Tür drehte er sich noch um und sagte: „Denken Sie an die Worte von Germar Bublitz, dass Sie beobachtet werden.“
*
„Er wird es leugnen. Und möglicherweise wird er‘s so geschickt tun, das du‘s irgendwann selbst glaubst. Aber es stimmt nicht. Das gab es nicht, dass nichts aufgezeichnet wurde. Das gab es damals definitiv nicht, das war ausgeschlossen, es war überall so, dass alles vermerkt, verzeichnet und geordnet wurde. Alles konnte bereits in Asche liegen, nichts mehr gehen, das Verrecken allgegenwärtig sein, tote Kinder auf den Straßen liegen, aber wenn noch irgendwas im gewohnten Takt funktionierte, dann war es das Klappern der Schreibmaschine. Die Seele des deutschen Faschismus ertrug den Niedergang, aber sie ertrug es nicht, dass er nicht dokumentiert wurde.“
Manfred stand in der Telefonkabine seiner Hotelpension und telefonierte mittlerweile schon zwanzig Minuten mit dem Professor. Es hatte eine Zeit gedauert, bis der sich ein Bild von dem heutigen Klaus Wilkens machen konnte, jetzt schien er nicht mehr zu halten zu sein.
„Glaub‘ bloß nicht, dass der nicht lügen kann; auch wenn du Klaus Wilkens nicht mehr einfach als Subjekt faschistischer Verbrechen siehst, sondern als integeren Menschen, selbst dann wird er lügen. Und das ist aus seiner Position auch verständlich, denn was du von ihm willst, bedeutet eine Offenbarung, die ihm, gerade wenn er über ein halbwegs intaktes moralisches Selbstkorrektiv verfügt, peinlich ist. Und wenn der so tickt, wie du das eben gesagt hast, dann wird er sich schämen. Und zwar bis zur Schmerzgrenze. Ja, wahrscheinlich wird das Gefühl der Scham ihn eher davon abhalten, sich auf dein Angebot einlassen zu können, als die Angst, dass du nicht Wort hältst ... letztendlich hängt alles von der Schwere seiner Verbrechen und der genauen Struktur seiner Persönlichkeit ab. Leichter und unbestimmter ist es leider nicht ... Ich denke, ich hab‘ jetzt genug geredet.“
„Schön, dass ich das nicht sagen muss.“
„Ich lach‘ gleich... Ruh‘ dich noch ein bisschen aus, iss‘ eine Kleinigkeit...“
„Ja, Papa.“ Sofort ärgerte sich Manfred über seine Bemerkung.
„Was soll der Scheiß... Wir müssen nicht telefonieren.“
„Sorry, ich glaub‘ ich bin grad‘ ein bisschen überfordert.“
„Schon gut... wäre ich auch an deiner Stelle... die Idee mit dem Filzstift ist übrigens gut... Soll ich nochmal anrufen?“
„Nee, nicht nötig, die glauben alles. Wir waren gut.“ Manfred überlegte einen Moment. „Obwohl... Zur Sicherheit ruf‘ bei Wilkens an, wenn ich mich bis 3 Uhr nicht bei dir gemeldet habe.“
„Ja, mach‘ ich. Und jetzt isst du was,
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