Wo die coolen Kerle wohnen
wir auf diese Weise nie rauskriegen würden, was mit den Midlife-Männern, die sich so eigentümlich aufführen, wirklich los ist.
Was würde wohl passieren, wenn wir, statt uns reinzuwühlen, uns raushielten? Wenn wir es schafften, auf Distanz zu gehen und in diesem Punkt in den »Schwestermodus« zu wechseln – auch und gerade bei den Männern, die uns nahestehen? Wenn wir erst einmal kühl und objektiv beobachteten? Wenn wir, statt weiter das ewig weibliche (Miss-)Verständnis aufzubringen, uns um schlichte Erkenntnis bemühten? Wenn wir versuchten, die Männer als fremde, andersartige, durchaus auch eigenartige Lebewesen anzusehen, die es zu erforschen lohnt?
Die Idee, eine Expedition ins Land der Midlife-Männer zu unternehmen, war geboren.
Aufbruch in die Fremde
Mein Forscherdrang wurde enorm dadurch befeuert, dass mein Bruder mich daran teilhaben ließ, wie er sich über drei, vier Jahre hinweg veränderte. Er, den ich lange unterschätzt und dann erst einmal als »konturloses Midlife-Weichtier« verbucht hatte, entpuppte sich nach Krankheiten, Wachstumsschmerzen, Rückschlägen und Kämpfen schließlich als ein ziemlich cooler Kerl, vor dem ich inzwischen größte Hochachtung habe. Meine zynische Theorie von der unvermeidlichen »Rückwärts-Evolution« der Männer ab vierzig hat er brillant widerlegt.
Das machte mich nachdenklich. Denn dieser attraktive reife Mann, der da auf einmal vor mir stand, war keine komplette Neuerfindung. Er musste doch all die Jahre bereits wie in einem Versteck in diesem Menschen gehaust haben!
Womöglich verbarg sich in vielen schwierigen Midlife-Männern so ein cooler Typ. Einer, der nur darauf wartete, dass sich im Innern seine neue Gestalt formierte, bis er seinen Kokon aufbeißen und herausschlüpfen konnte?
Als mir mein Bruder bei dem großen Fest, das er zu seinem fünfzigsten Geburtstag veranstaltete, seine drei besten Freunde und Weggefährten der letzten Jahre vorstellte, war ich vollends fasziniert: Keiner entsprach dem gängigen Männerbild, keiner war »ein Bild von einem Mann«, aber alle waren echte Mannsbilder. Authentische, coole Kerle.
Sie erzählten offen aus ihrem Leben, fragten nach meinen Erfahrungen und nahmen Anteil. Sie sprachen von ihren Familien, Kindern, Ideen, Träumen, und keiner zog eine Show ab. Keiner hielt Vorträge, spielte den Besserwisser oder Welterklärer; keiner zettelte eine Schlaumeier-Diskussion über sein Lieblingsthema an, um zu zeigen, was für ein toller Hecht er war. Diese Männer redeten und hörten zu, genossen Essen und Trinken, lachten und gingen tanzen, und ich freute mich, als sie mich aufforderten mitzukommen.
Sie waren wie Boten aus einem fremden, aufregenden Land, das ich noch nicht kannte. Da zog es mich mächtig hin.
Es dauerte noch ein paar Jährchen, bis ich so weit war, aber dann machte ich mich auf den Weg. Die Schicksale der Midlife-Männer, die in diesem Land bereit waren, von sich zu erzählen, nehmen hier breiten Raum ein. So soll es auch sein. Schließlich sind sie die Hauptpersonen, ohne die dieses Buch nicht hätte geschrieben werden können. Und es gehört zur Haltung der Forschungsreisenden, dass zwar die Personen unkenntlich gemacht, ihre Geschichten aber ungeglättet und unverfälscht geblieben sind. Deshalb enthalten sie kleine Ungereimtheiten, ebenjene »Webfehler«, die das Leben hineingewebt hat – auch manche, über die sich die eine oder andere Leserin vielleicht wundern wird.
Nun lade ich Sie ein, mitzureisen, nachzureisen, die verschiedenen Stationen mit mir abzuklappern, um am Ende, falls auch Sie die Forscherlust gepackt hat, meinen Forschungsbericht durch eigene Beobachtungen zu ergänzen, dieses Reisetagebuch mit Ihren eigenen Erfahrungen fortzuschreiben.
Aber machen Sie sich auf einiges gefasst: Je länger man den Midlife-Mann erforscht, umso mehr kommt dabei auch über die Midlife-Frau ans Tageslicht, und nicht nur Schönes.
Es ist wie bei einer richtigen Reise, jedenfalls habe ich es früher bei meinen Aufenthalten in Frankreich oder Italien so erlebt: Erst im Unterschied zu einer anderen Lebensart und Kultur wird einem die eigene bewusst.
Auf meiner Reise ins Männerland spürte ich meine Weiblichkeit stärker als zuvor, und das fühlte sich gut an. Den Unterschied zur männlichen »Lebenskultur« deutlich wahrzunehmen ist spannend und erotisierend. Zudem fällt es immer leichter, Fremdes anzuerkennen und wertzuschätzen, wenn man sich des Eigenen sicher und bewusst ist. Erst
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