Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
hatten. Fifi hatte das Gefühl, in fast allen Punkten verantwortlich für das Geschehene zu sein.
Der Gedanke daran, heute wieder zur Arbeit gehen zu müssen, erfüllte sie mit Angst. Die anderen Frauen würden gewiss nach ihrer Fehlgeburt fragen und vielleicht auch nach Angelas Tod, falls sie aus den Zeitungen von Fifis Rolle in diesem Fall erfahren hatten. Sie konnte nicht über all diese Dinge reden, ohne preiszugeben, von Dan verlassen worden zu sein. Wenn sie in der Vergangenheit doch nur nicht so selbstgefällig von ihrer glücklichen Ehe erzählt hätte! Immer hatte sie in den höchsten Tönen von Dan geschwärmt, als wäre er der Inbegriff des perfekten Ehemanns.
Sie hatte nie eingestanden, dass ihre Eltern ihn missbilligten oder dass ihr Zuhause lediglich aus zwei Zimmern in einer schäbigen Nebenstraße bestand. Wie sollte sie da jetzt erklären, warum alles so furchtbar schiefgegangen war?
Wenn sie gewusst hätte, wohin Dan gegangen war, wäre sie gestern zu ihm gelaufen und hätte ihn angefleht, nach Hause zurückzukommen. Aber sie wusste es nicht und hatte auch keine Ahnung, wo sie suchen sollte. Er sprach häufig über seine Kollegen, doch dabei ging es immer nur um ihren Charakter, ihre komischen Angewohnheiten oder Interessen, um Witze, die sie ihm erzählt hatten. Nie hatte er erwähnt, wo Männer wie Owen oder Jack wohnten. Aber selbst wenn sie die Stadtteile gekannt hätte – welchen Nutzen hätte dies jetzt für sie gehabt? London war eine riesige Stadt, und sie kannte nicht einmal die Nachnamen seiner Arbeitskollegen.
Es war eine große Versuchung, die Arbeit Arbeit sein zu lassen und zu der Baustelle in Stockwell zu gehen. Doch es würde keinen guten Eindruck machen, wenn sie nicht im Büro erschien, nachdem sie so lange gefehlt hatte, und falls Dan nie mehr zurückkam, würde sie den Job dringender brauchen denn je. Außerdem hatte er nie gewollt, dass sie zu der Baustelle kam. »Das ist kein Platz für Frauen«, pflegte er zu sagen. Vermutlich würde er erst recht wütend auf sie sein, wenn sie vor seinen Freunden und seinem Boss dort auftauchte.
Also blieb ihr nichts anderes übrig, als den Brief, den sie ihm am vergangenen Abend geschrieben hatte, aufzugeben. Hoffentlich vermisste er sie am nächsten Morgen so sehr, dass er sofort zu ihr zurückkam!
»Schön, dass Sie wieder da sind, Mrs. Reynolds«, sagte Mr. Unwin, als er ins Büro kam und sie an ihrem Schreibtisch sitzen sah. »Ich hoffe, Sie sind vollkommen wiederhergestellt.«
In Fifis Augen war Mr. Unwin eine Seltenheit in der juristischen Welt, von aufrichtiger Freundlichkeit und Rücksicht gegenüber seinem Personal, ganz anders als einige der schroffen, herzlosen Anwälte in der Kanzlei in Bristol. Er war ein hässlicher Mann, hochgewachsen und dünn, mit einer schnabelähnlichen Nase und stark vorstehenden Zähnen, aber überraschenderweise hatte er eine ausgesprochen schöne blonde Frau, die ihm zu Füßen zu liegen schien.
»Ja, vielen Dank, Sir«, antwortete sie und überlegte, wie viele Leute ihr diese Frage an diesem Tag noch stellen würden und wie lange sie ihre Lüge, alles stünde zum Besten, würde aufrechterhalten können.
Mr. Unwin bat Beryl, die Bürohilfe, ihm einen Kaffee zu bringen, dann wandte er sich wieder an Fifi.
»Möchten Sie vielleicht jetzt zum Diktat kommen, Mrs. Reynolds? Ich werde Sie heute nicht zu hart arbeiten lassen«, fügte er mit einem Lächeln hinzu. »Ich habe zwei Briefe, die heute noch rausgehen müssen, aber sobald Sie damit fertig sind, können Sie für den Rest des Tages Abschriften tippen oder Akten ablegen.«
Gegen Mittag taten Fifi der Arm und die Finger weh, doch zumindest lieferte ihr dieser Umstand eine gute Ausrede für ihre Niedergeschlagenheit. Einige der Mädchen fragten sie, ob sie mit ihnen zu Mittag essen wolle; offensichtlich brannten sie darauf, Näheres über die Ereignisse zu erfahren, aber Fifi schützte dringende Einkäufe vor und ging zu ihrer Lieblingsstelle an der Themse, um nachzudenken.
Es war ein warmer, aber trüber Tag, und der Fluss wirkte grau und träge, gerade so, wie sie sich fühlte. Wie glücklich war sie gewesen, als sie das erste Mal an dieser Stelle gesessen hatte! Es war so aufregend gewesen, an dem berühmten Fluss zu sitzen und all die Sehenswürdigkeiten, das Parlamentsgebäude und die Kuppel der St. Paul’s Cathedral, zu betrachten. Damals hatte sie wirklich geglaubt, dass Dan und sie für immer zusammenbleiben würden, ganz gleich,
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