Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
Nora, die fast ihr ganzes Leben in Dorset verbracht hatte, war es ein aufregender, eleganter Ort, und es dauerte einige Wochen, bis sie sich seiner schäbigeren Unterströmungen bewusst wurde. Der Club in der Greek Street war sehr vornehm eingerichtet, und die Kundschaft bestand aus adeligen und wohlhabenden Leuten. Noras Aufgabe war, sie zu begrüßen und dafür zu sorgen, dass sie sich gut amüsierten. Außerdem war sie die Vorgesetzte von zwanzig Hostessen, die den Männern, die ohne Begleitung kamen, für den Abend Gesellschaft leisteten.
Nora liebte ihre Arbeit und war stolz darauf. Die Hostess bekam ein Honorar für ihre Dienste, und Nora erhielt von jedem dieser Honorare einen bestimmten Anteil. Sie gab sich größte Mühe, ein wenig über all ihre Mädchen in Erfahrung zu bringen; sie beriet sie, was Kleider, Frisur und Make-up betraf, und sie tat ihr Bestes, jeden Mann von einem Mädchen betreuen zu lassen, das zu ihm passte. Und Nora war sehr gerecht: Sie hatte unter den Hostessen niemals Favoritinnen, die alle Kunden bekamen, wenn es einmal ruhig zuging. Es gab eine klare Regel, nach der keine Hostess einen Kunden nach Hause begleiten durfte, denn dem Club drohte die Schließung, falls er sich auf Prostitution einließ. Nora sorgte dafür, dass sich alle Hostessen an diese Regel hielten.
Endlich frei von dem Herzeleid und den Sorgen um Reggie und mit einem Verdienst von rund fünfzig Pfund die Woche, war ihr neues Leben ausgesprochen schön – als Sekretärin hätte sie sich zu dieser Zeit schon glücklich schätzen müssen, auch nur zehn Pfund zu verdienen. Jeden Abend lernte sie interessante, charmante Menschen kennen, und sie fand in der Nähe des Clubs eine kleine, behagliche Wohnung.
Alle Mädchen waren ein wenig verliebt in John Bolton, den ersten Barkeeper. Er war erst fünfundzwanzig, schlank und gut aussehend, während die meisten Stammkunden des Clubs eher beleibt und deutlich über vierzig waren, aber vor allem besaß John einen unbezähmbaren Sinn für Humor und großen Charme.
Allein sein Aussehen mit den hypnotischen, dunkelblauen Augen, dem schwarzen Haar und der glatten, olivfarbenen Haut hätte wohl gereicht, um eine Frau schwach werden zu lassen. An Noras erstem Abend drückte er ihr mit einem Augenzwinkern einen doppelten Whisky in die Hand, denn er spürte ihre Nervosität. Er war es auch, der ihr erklärte, welches die wertvollen Stammgäste waren und wie sie die Unruhestifter erkennen konnte. Von ihm erfuhr sie, welche Mädchen Ermutigung brauchten und welche ihr wahrscheinlich Kummer bereiten würden.
Sechs Monate lang war Nora über die Maßen glücklich. Sie grübelte nicht länger über ihr geplündertes Treuhandvermögen nach, über die Schande und die Demütigung, die Reggie ihr zugefügt hatte. Manchmal war sie ihm auf seltsame Weise sogar dankbar dafür, denn jetzt hatte sie ein weitaus erfüllteres, schillernderes Leben und genoss außerdem absolute Unabhängigkeit.
Aber eines Abends kamen drei Männer in den Club, hünenhafte, gefährlich aussehende Männer mit schroffen Stimmen und Gesichtern, die offenkundig von Fäusten geformt worden waren, auch wenn ihre Besitzer maßgeschneiderte Anzüge und goldene Armbanduhren trugen. Solche Männer waren in Soho ein gewohnter Anblick. Sie lebten von den Gewinnen von Laster, Schurkerei oder Diebstahl, aber sie pflegten auch große Mengen Geldes auszugeben, und wenn sie ins »Starlight« kamen, benahmen sie sich im Allgemeinen tadellos.
Diese drei Männer waren jedoch nicht gekommen, um sich zu amüsieren, sie waren gekommen, um Nora zu sehen. Sie verlangten zu wissen, wo Reggie war, und erklärten, dass er bei ihnen Spielschulden in Höhe von fünfzehntausend Pfund habe, und sie zeigten Nora einen von ihm unterschriebenen Schuldschein.
Natürlich erklärte sie ihnen, dass er sie bestohlen und verlassen habe und dass sie keine Ahnung habe, wo er sich aufhielt. Aber die Männer sagten, als seine Frau müsste sie für seine Schulden gerade- stehen.
Sie tat den Zwischenfall mit einem Schulterzucken ab. »Das Ganze geht mich nichts an. Sie können mich unmöglich für Reggies Verhalten verantwortlich machen«, entgegnete sie tapfer. Und als die Männer ohne weiteren Protest den Club verließen, nahm sie an, sie hätten ihre Argumente akzeptiert.
Aber kurz nachdem Nora am nächsten Tag in den frühen Morgenstunden von der Arbeit nach Hause kam, klingelte es an ihrer Tür. In der Annahme, es wäre eine Nachbarin, öffnete sie –
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