Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
mussten verschwinden. Nora färbte sich das Haar dunkelbraun und frisierte es sich zu einem wenig schmeichelhaften Knoten. Charles kaufte ihr ein matronenhaftes marineblaues Kostüm und klobige Pumps. Damit war die äußere Verwandlung abgeschlossen. Sie wurde die Ehrfurcht gebietende und äußerst korrekte Miss Diamond.
Dann kam endlich der Tag, an dem sie durch die Tür ihres Verstecks treten konnte und John sie in die freie Wohnung in der Dale Street schickte.
Er wusste von dieser Wohnung, weil er mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern in Nummer dreizehn lebte. John hielt das Arrangement für ideal, weil er sie auf diese Weise diskret im Auge behalten konnte. Andererseits konnte er sich bei Mr. Capel, dem Vermieter, nicht für sie verwenden, weil niemand von ihrer Verbindung zueinander erfahren sollte. Also erzählte Nora Mr. Capel, sie sei soeben aus Sussex gekommen, um sich in London eine Arbeit zu suchen.
Von jenem Tag an nickten sich Nora und John, wenn sie einander auf der Dale Street begegneten, lediglich höflich und wie Fremde zu. Anders konnte es nicht sein, aber sie hätte alles dafür gegeben, auch weiterhin seine Freundschaft genießen zu dürfen. Sie hasste Kennington, die Wohnung war grässlich, und ihr fehlte das Geld, um etwas an der Situation zu verbessern. Aber sie fühlte sich hier zumindest sicher.
Es war John gelungen, einige ihrer persönlichen Besitztümer einzupacken, aber auch wenn seine Fürsorge sie rührte, hatte sie in Wirklichkeit doch zum zweiten Mal alles verloren, was sie besaß.
Diesmal musste sie ganz von vorn anfangen und sich einen Job suchen, ohne sich dabei auf ihr gutes Aussehen stützen zu können. Außerdem würde sie immer über ihre Schulter blicken und Angst davor haben, erkannt zu werden.
Sie hatte sich sehr einsam gefühlt, als sie nach London gezogen war, doch es hatte Menschen in Dorset gegeben, Freunde, entfernte Verwandte und Bekannte, die sie gern hatte, Menschen, die auch an ihr Anteil nahmen. Aber nach Amys Verschwinden konnte Nora sich mit keinem von ihnen jemals wieder in Verbindung setzen. Sie weinte, als sie ihr Adressbuch verbrannte, denn wer war sie – ohne ihre Geschichte?
Kurze Zeit später fand sie einen Job bei der Telefonvermittlung, und bald darauf wurde sie in die Leitung befördert und war für achtzehn junge Telefonisten verantwortlich. In gewisser Weise hatte ihre Stellung große Ähnlichkeit mit ihrer Arbeit im Club, nur dass sie nicht länger eine schillernde Gestalt war und es sich nicht mehr leisten konnte, irgendjemanden nah an sich heranzulassen, weil sie immer befürchten musste, ihre wahre Identität preiszugeben.
Noras Zuneigung zu John war nie verblasst, trotz ihrer Enttäuschung darüber, dass er sich in die Welt der Kriminalität hatte hineinziehen lassen. Noch bevor er Vera kennen lernte und heiratete, kaufte er das Haus Nummer dreizehn von seinem Vermieter, und sein Name war inzwischen mit einigen der betrügerischsten Geschäftsleute verbunden, die sie in ihrer Zeit in Soho kennen gelernt hatte. Es waren Peter Rachman, ein skrupelloser Vermieter, der naiven, eingeschüchterten indischen Einwanderern in den Slums himmelhohe Mieten abknöpfte, Ronald Beasdale, der illegale Spielhöllen betrieb, und Albert Parkin, der von Schutzgelderpressung lebte.
Vor zwei Jahren hatte sie dann herausgefunden, dass John sich auch mit Jack Trueman eingelassen hatte. In der Zeitung war ein Artikel über den neuen Nachtclub erschienen, den Trueman in Soho eröffnet hatte, und ein Foto, das im Innern des Clubs aufgenommen worden war, hatte John als Manager hinter der Theke gezeigt.
John war, wie Nora sehr wohl wusste, klug genug gewesen, seine Beteiligung an den Ereignissen jener Nacht zu verbergen, in der er dem Earl und seinen Männern in ihrer Wohnung so übel mitgespielt hatte. Er würde sie auch gewiss niemals verraten, das wusste sie. Aber es erfüllte sie mit Entsetzen, dass John bereit war, für einen Mann wie Trueman zu arbeiten. Wie konnte ein Mensch, der sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um einer schutzlosen Frau beizustehen, sich mit dem Schurken zusammentun, der dafür verantwortlich gewesen war?
Doch wenn sie das Ganze realistisch betrachtete, war ihr klar, dass John wohl nicht der hatte bleiben können, der er ein Jahrzehnt zuvor gewesen war. Er hatte immer ein »gutes Leben« erstrebt, und um dieses Ziel zu erreichen, hatte er Abkürzungen beschritten. Er wurde allgemein als Gangster bezeichnet, er hatte
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