Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
dass auch London sich in diese Richtung entwickelte. Es verbitterte sie, dass neue Modetrends, Filme und sogar Musik so lange brauchten, um bis in den Westen Englands vorzudringen, und damals hatte sie den Entschluss getroffen, nach London zu ziehen, um am Puls des Geschehens zu sein.
Es war jedoch anders gekommen. Ein sicherer Job und verschiedene Männer waren schließlich wichtiger gewesen als ihr Wunsch, in die Hauptstadt zu gehen. Aber jetzt hatte sie es endlich geschafft, und sie wusste einfach, dass auf Dan und sie ungeahnte Möglichkeiten warteten. Hier waren die Löhne höher, und es gab bessere Aussichten auf Beförderung.
Doch am meisten gefiel ihr die Vorstellung, hier, frei von Klassensnobismus, noch einmal ganz neu anfangen zu können. In London kannte sie niemand, ebenso wenig wie ihre Eltern. Es gab niemanden, der hinter vorgehaltener Hand darüber tuschelte, dass sie, die Tochter eines Professors, einen Maurer geheiratet hatte. Sie konnten leben, wie sie wollten, hingehen, wo sie wollten, und niemand würde beobachten, ob ihnen ein Fehler unterlief.
Natürlich hoffte sie nach wie vor, dass ihre Eltern sich eines Tages mit Dan aussöhnen würden. Aber aus dem sicheren Abstand von einhundertfünfzig Kilometern zum Elternhaus würde sie nicht mehr mit angehaltenem Atem auf ein Einlenken warten. London würde ein riesiges Abenteuer sein, und sie würde ihrer Familie beweisen, aus welchem Holz Dan und sie geschnitzt waren.
Später am selben Nachmittag wurden Dan und Fifi von drei verschiedenen Fenstern aus beobachtet, während sie den geborgten Umzugswagen ausluden.
Yvette Dupré in der Erdgeschosswohnung von Nummer zwölf auf der anderen Straßenseite war Schneiderin. Da ihre Nähmaschine vor ihrem Fenster stand, konnte sie das Kommen und Gehen auf der Straße meistens mitverfolgen.
Es war ein echtes Ereignis, ein hübsches junges Paar einziehen zu sehen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie sich darüber freuen oder sich Sorgen machen sollte. Die blonde Frau war so schlank und elegant in ihrer Jeans und dem handgestrickten Pullover. Ihr Mann war teuflisch attraktiv und erinnerte sie mit seinem dunklen Haar und den kantigen Wangenknochen an einen Zigeuner. An der Art, wie die beiden miteinander lachten und sich berührten, konnte sie erkennen, dass sie bis über beide Ohren verliebt waren. Es entlockte ihr ein Lächeln, sie nur zu beobachten.
Yvette hatte in ihrem Leben sonst wenig Grund zum Lächeln. Sie war siebenunddreißig, sah aber weit älter aus. Ihr einst volles, dunkles Haar war von grauen Strähnen durchzogen, und sie kämmte es sich straff zu einem strengen Nackenknoten zurück. Sie trug altmodische, triste Kleider und lebte ein sehr abgeschiedenes, einsames Leben. Ihre einzige Freude war ihre Arbeit, auf die sie sehr stolz war.
Wie die meisten ihrer Nachbarn war sie aus Verzweiflung in die Dale Street gezogen. Die alte Mrs. Jarvis, die in Nummer eins wohnte, seit die Straße 1890 angelegt worden war, hatte ihr erzählt, dass in jenen Tagen jeder ein Dienstmädchen beschäftigt hatte. Trotzdem fiel es Yvette schwer zu glauben, dass dies jemals eine feine Adresse gewesen war.
Das junge Paar lachte über eine Tasche, deren Inhalt sich auf den Gehsteig ergossen hatte, und der Anblick erinnerte Yvette schmerzlich an ähnliche Szenen in ihrer Geburtsstadt Paris, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war. Sie hatte auch dort häufig am Fenster gesessen, um die Leute zu beobachten, die in die Appartements auf der Rue du Jardin gezogen waren. Wenn sie lederne Gepäckstücke, Pelzmäntel oder schöne Hüte sah, erstattete sie ihrer Mutter darüber Bericht, denn dies waren Anzeichen dafür, dass ihre Besitzer vielleicht eine erstklassige Schneiderin benötigen würden. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit war Mama dann mit einem Blumenstrauß oder einem selbst gebackenen Kuchen zu ihnen gegangen, um sie willkommen zu heißen, und immer hatte sie eine ihrer goldumrandeten Visitenkarten hinterlassen.
Zumindest von außen betrachtet, ähnelten die Dale Street und die Rue du Jardin einander vermutlich in manchen Punkten. Beide Straßen waren schmale, düstere Sackgassen mit hohen, vernachlässigten alten Häusern. Doch hinter der abgeblätterten Farbe von Fensterläden und Türen in der Rue du Jardin hatten sich einige wirklich schöne Wohnungen verborgen. Yvette erinnerte sich an Kronleuchter, an üppige Gardinen, schöne Läufer und an Silber und Alabaster, wenn sie mit ihrer Mama zu
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