Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht
»Wer wohnt eigentlich im ersten Stock?«, erkundigte sie sich dann.
»Miss Diamond«, erklärte Frank. »Sie arbeitet für die Telefongesellschaft, und sie führt das Regiment im Haus.«
»Sie ist ein ziemliches Ungeheuer, wie?«, fragte Dan mit einem Grinsen.
Frank kicherte. »Sie kann jedenfalls eins sein, wenn sie jemanden nicht mag. Sie ist nämlich ziemlich eigen, genau wie meine June es war. Wenn Sie einen Schmutzrand in der Badewanne hinterlassen, zu viel Lärm machen oder vergessen, die Treppen zu wischen, wenn Sie an der Reihe sind, dann ist die Hölle los.«
Jetzt begriff Fifi auch, warum das Badezimmer so unerwartet sauber gewesen war, die einzige angenehme Überraschung des Tages. Auch der Pub gefiel ihr, und es freute sie noch mehr, Frank kennen zu lernen, da er den Eindruck eines anständigen, recht väterlichen Typs machte. Es war tröstlich, jemanden wie ihn zum Nachbarn zu haben.
Sie machte eine Bemerkung darüber, wie dankbar sie sei, sich das Bad nicht mit unordentlichen Menschen teilen zu müssen, dann brachte sie das Gespräch auf das Haus auf der anderen Straßenseite.
»Ich habe ein kleines Mädchen dort herauskommen sehen. Es wirkte so traurig.«
»Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, aus was für einer Familie die Kleine kommt«, sagte Frank und verzog das Gesicht. »Die Muckles sind eine Schande. Sie sind schmutzig, sie lügen, und sie betrügen.«
»Sie mögen sie nicht?«, witzelte Dan.
»Sie mögen?« Franks Stimme schwoll um einige Oktaven an. »Diese Leute gehören ausgerottet!«
»Ich kann nicht fassen, dass jemand tatsächlich Muckle heißt«, lachte Fifi. »Vielleicht sind sie ja wegen ihres Namens so geworden.«
»Ihr Name ist das Einzige, worüber man lachen kann«, antwortete Frank angewidert. »Wenn ich Katholik wäre, würde ich mich bekreuzigen, wann immer ich diesen Namen höre.«
In diesem Moment gesellte sich ein Pole zu ihnen; Frank stellte ihn als seinen Freund Stan vor und sagte, er lebe im übernächsten Haus. Trotz Stans ausgeprägtem polnischen Akzent hatte er das Benehmen eines englischen Gentlemans, sehr korrekt, ein wenig steif, aber auch recht charmant, und sein männliches, trauriges Gesicht erinnerte Fifi an einen streunenden Hund, den sie einmal mit nach Hause genommen hatte.
»Sie haben so hübsches Haar«, bemerkte er anerkennend. »Es ist schön zu sehen, dass Sie es offen tragen, statt es zu so einer Vogelnestfrisur zu kämmen.«
»Vielen Dank.« Fifi errötete bei dem unerwarteten Kompliment. »Aber ich glaube, die Frisur, von der Sie sprechen, wird Bienenstock genannt.«
»Für mich sieht sie aus wie ein Vogelnest, und dann kleben die Frauen sie auch noch mit diesem Lack fest.« Er verzog das Gesicht. »Kein Mann würde so etwas anfassen wollen.«
Dan strich mit Besitzerstolz über eine Locke von Fifis Haar und vermittelte Frank und Stan damit überdeutlich, dass sein Frau zwar bewundert werden dürfe, dass aber niemand außer ihm sie zu berühren habe. »Kommen Sie, ich gebe Ihnen beiden einen Drink aus, um unseren ersten gemeinsamen Abend in London zu feiern. Wir hatten schon langsam befürchtet, hier niemals eine Wohnung zu finden.«
Frank und Stan bestellten noch ein Bier.
»Ich hoffe, Sie werden in London glücklich sein«, bemerkte Frank und sah Fifi und Dan dabei beinahe liebevoll an. »Ich freue mich jedenfalls, wieder junge Leute im Haus zu haben. Als meine Tochter noch in der Nähe lebte, war sie ständig mit ihren Kindern bei mir. Ich vermisse all das Gelächter und Geplapper.«
»Wo lebt sie denn jetzt?«, fragte Fifi, die wie immer alles über ihre Nachbarn wissen wollte.
»In Brisbane in Australien«, erwiderte Frank traurig. »June und ich wollten eigentlich zu ihnen rübergehen, aber nach ihrem Tod hatte ich das Gefühl, so eine Entwurzelung sei zu spät für mich.«
Als sie bei ihren zweiten Drinks waren, hatten Frank und Stan ihnen von verschiedenen anderen Nachbarn erzählt und Fifi und Dan eine grobe Geschichte der jeweiligen Leute geliefert. Da waren zum einen Cecil und Ivy Helass in Nummer sechs, solide, verlässliche Leute, die das einzige eigene Telefon in der Straße besaßen und vier Kinder im Alter zwischen sechzehn und zweiundzwanzig hatten. John und Vera Bolton wohnten in Nummer dreizehn und wurden ihnen als protzig beschrieben. Die Namen der anderen Nachbarn und die Erklärung, in welchen Häusern sie lebten, gingen in Fifis Kopf durcheinander, aber die Familie, auf die Frank immer wieder zurückkam,
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