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Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht

Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht

Titel: Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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in Zukunft nicht mehr jeden Tag Fleisch und Milch zu kaufen brauchte.
    Etwa zwanzig Meter, bevor man in die Dale Street einbog, lag ein Trümmergrundstück mit einigen unbewohnten, halb zerstörten Häusern. Wie immer spähte Fifi durch die beschädigten Zaunlatten, weil die Kinder aus der näheren Umgebung dieses Gelände als Spielplatz auserkoren hatten. Für gewöhnlich waren dort dutzende von Kindern zu sehen, die Piraten spielten und bisweilen sogar ein Feuer anzündeten. Fifi betrachtete dieses Treiben mit gemischten Gefühlen. Das Kind in ihr billigte es, denn es gab nur wenige Orte in London, wo Jungen und Mädchen Abenteuer und Freiheit genießen konnten. Aber die Erwachsene in ihr war besorgt, denn hier lauerten überall Gefahren von zerbrochenen Flaschen und anderem Müll.
    Zu ihrer Überraschung waren heute trotz des guten Wetters keine Kinder zu sehen. Aber als sie vorbeiging, hörte sie ein leises Weinen. Neugierig geworden, stellte sie ihre Einkäufe ab und schob den Kopf durch ein Loch im Zaun, um genauer hinzuschauen.
    Ein kleines Mädchen hockte dort, die Hände vors Gesicht geschlagen, auf dem Boden und weinte sich die Seele aus dem Leib.
    Es war Angela, das jüngste der Muckle-Kinder. Angela war die Kleine, die an Fifis erstem Tag in der Dale Street von ihrer Mutter geschlagen worden war, daher beobachtete sie dieses Mädchen genauer als alle anderen Mitglieder der Familie. Es war offenkundig, dass die Kleine in ihrer Familie nicht wohlgelitten war. Ihre Eltern schrien sie ständig an, ihre älteren Geschwister schikanierten sie, und sie schien selbst ihrer Tante Dora ein Dorn im Auge zu sein.
    Wenn Fifi eins der drei anderen Kinder in offenkundiger Not gesehen hätte, wäre sie vorbeigegangen. Ihr war die boshafte Schläue in ihren Augen aufgefallen, und sie hatte sie nur allzu oft Schimpfwörter benutzen hören, daher hätte sie in einer solchen Situation vermutet, dass sie sie zu überlisten versuchten. Schließlich rissen sie anderen Kindern das Geld aus der Hand, wenn diese zum Einkaufen geschickt worden waren, und sie schlichen durch jede offene Tür, um zu stehlen. Fifi hatte gesehen, wie sie alte Menschen anrempelten, Mülleimer umkippten und Milchflaschen auf dem Gehsteig zerschlugen. Wenn man sie dafür zur Ordnung rief, waren nur laut herausgeschriene, wilde Schmähungen die Antwort.
    Aber Angela war nicht wie die anderen. Sie war nicht dreist, sondern scheu, und sie war dünn und unterernährt. Wenn sie einem Erwachsenen gegenüberstand, trat ein ängstlicher Ausdruck in ihre Augen. Fifi zögerte. Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass es besser sei, das Kind nicht zu beachten, aber das klagende, jämmerliche Weinen der Kleinen ging ihr zu Herzen. »Was ist denn los, Angela?«, rief sie.
    Die Kleine zuckte zusammen und ließ die Hände sinken. »Nichts«, antwortete sie.
    Aber das stimmte ganz offensichtlich nicht: Jemand hatte sie geschlagen; ihre linke Gesichtshälfte war so stark angeschwollen, dass ihr Auge praktisch verschwunden war.
    Vermutlich hatte ein anderes Kind Angela verprügelt, und das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum sonst niemand auf dem Grundstück spielte. Fifi erinnerte sich an Gelegenheiten, da sie als Kind selbst schikaniert worden war, und hatte das drängende Gefühl, etwas tun zu müssen, und sei es auch nur, dass sie Angela ein wenig Mitgefühl zeigte.
    Sie ging zu einer breiten Lücke im Zaun hinüber. »Wer hat dir das angetan?«, fragte sie, während sie vorsichtig über die zerbrochenen Zaunlatten stieg.
    Angela war schon zu den besten Zeiten kein hübscher Anblick mit ihren scharfen Gesichtszügen, der blassen Haut, dem verfilzten, glanzlosen Haar, den schmutzigen Kleidern und den Zahnlücken, aber mit dieser Verletzung sah sie nun absolut jammervoll aus. Als Fifi näher kam, schickte sich die Kleine an aufzuspringen, als wollte sie flüchten.
    »Weißt du, wer ich bin?«, meinte Fifi, die annahm, dass Angela Angst vor ihr hatte, weil sie eine Fremde war. »Ich wohne dir gegenüber in Nummer vier, ich heiße Fifi Reynolds, und mein Mann heißt Dan.«
    Das Kind nickte. »Ich habe Sie gesehen«, flüsterte es. »Sie haben die Wände gestrichen.«
    Das bedeutete vermutlich, dass Angela ihnen spätabends von einem der oberen Fenster bei der Arbeit zugesehen hatte.
    »Als ich noch klein war, habe ich gern die Leute beobachtet«, sagte Fifi, um das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. »Ich habe mir dann Geschichten über sie ausgedacht.

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