Wo die letzten Menschen hausen
vielleicht gewonnen aus den großen Meeren, die damals, wie Ihr wißt, fast das ganze Tiefland bedeckten. Seht, dieses Tablett. Betrachtet die reine, ungefirniste Schönheit, die Vollkommenheit ohne eine einzige Figur oder Verzierung, sogar ohne Ziselierung, bis auf diese eine begrenzende Linie. Wie? Wie? Kann irgendein Künstler dieser generierten Zeit etwas schaffen, das in sich so rein ist, daß es keinerlei Verzierung braucht? Wie? Nein, und auch im Dritten Imperium nicht. Wie gut es war, daß ich ihnen nicht vom Aufbruch gepredigt habe. Wie? Hier haben wir ein Gefäß unbekannter Bestimmung aus den Stürmischen Jahren, vom Größeren Theik das Wrealldemonium genannt –«
»Gnädigster Herr –«
»Wie? Wie?«
»Wenn ich der Empfindsamkeit einer so verfeinerten und gelehrten Person die plumpen Sorgen der Welt aufdrängen darf – wir werden bedrängt von Feinden, viele davon Oger, acht Fuß hoch und von bestialischem Aussehen …« Trebors Stimme verklang unter Stirnrunzeln. »Die Jondrover müssen gewiß vorgehabt haben, dich« – er meinte Viani – »gegen Lösegeld den Pramantinern vorzuenthalten. Nicht, um Geld, sondern um Hilfe gegen ihre Feinde zu erlangen.«
»Das würden sie nie tun.«
»Nein, aber die Jondrover würden das nicht glauben. Die Oger – sie müssen Grumer sein – hätten dich bestimmt für sie festgehalten. Sie leben über Dunkelberg, wo die Überberge in die Helgram-Berge übergehen und am Grunderbore enden.«
Wächtererhalter war dadurch aufs äußerste bestürzt.
»Oger in der Tintintorora! Wer hätte das für möglich gehalten? Dieser riesige Hafen, tot, in Ruinen, und Dämonen in Menschengestalt erben seine ganze Pracht. Wie? Das sind dunkle Zeiten, wahrlich dunkle Zeiten. Was wird aus der Welt werden? Wie? Wie? Und Vandamar – ist es auch untergegangen? Ich entsinne mich, als die Schwarmlinge mir freundlich erlaubten, hier zu leben und aus den Middendumps zu holen, was ich wollte; der Aufbruch bedeutete ihnen nichts. Ah, sie waren mächtig, ihre Schiffe durchpflügten den Rhomon-See. Sie waren es, die den Kanal bauten und die mächtigen Schleusen zum Dunkelberg errichteten. Ihre Schiffe segelten nach Süden bis Umbadroon und nach Westen übers Salz bis Paxicum, wo ich auf dem Höhepunkt des Zweiten Reiches meine erste und schönste Liebe freite, vom Wandland auf eine Szene höchster Friedlichkeit hinabblickend.«
So sehr Trebor sich Gedanken über diese Erinnerungen an eine fernvergangne Zeit machte – konnten die Vandamaraner je mächtig gewesen sein? Welches Schiff konnte den Dunkelberg befahren? Oder war er damals voll Wasser gewesen? –, das nagende Gefühl, daß jeden Augenblick die Grumer hereinstürzen mochten, ließ ihm keine Ruhe. »Seid Ihr sicher, daß wir nicht in Gefahr sind?«
»Nicht sicher – denn wer kann sicher sein ? –, aber in all den Jahren, seitdem ich hier arbeite, bin ich nie gesehen worden, und ins Innere meiner Höhlen ist man nicht öfter als zwei dutzendmal eingedrungen.«
Seit dem Untergang des Dritten Irenischen Imperiums waren über zehntausend Jahre vergangen.
Wächtererhalter straffte seine knochigen Schultern, seinen von der Arbeit gekrümmten Rücken.
»Ich werde weder sterben noch soll meine Arbeit umsonst gewesen sein. Die Zeit ist noch nicht bestimmt. Der Ehrsame Orden muß noch dreimal vernichtet werden – und sollte ich sterben, kann er nie mehr auferstehen. Ich allein überlebe.« Ein Äon von Traurigkeit sprach aus seiner Stimme, seinen großen dunklen Augen.
Trebor und die Mädchen stießen Seufzer der Erleichterung aus. Niemand konnte an der Voraussicht eines so heiligen und alten Mannes zweifeln.
»Aber kommt! Ich habe mich hier so lange verborgen, unter meinen kostbaren Reliquien verborgen, daß ich die gewohnte Höflichkeit vergessen habe. Ich erkenne, daß Ihr heute weit gereist seid. Wie? Erlaubt, daß ich Euch zum Baderaum führe. Ich lasse Eure Reittiere und Diener unterbringen.« Er verbeugte sich. »Euer Diener. Wie?«
Der Baderaum war klein und eng, aus demselben groben Fels wie der Rest des ganzen Baues, aber innen mit Plastik ausgekleidet, das die Würmer stark angenagt hatten. Er war ganz annehmbar beleuchtet. Das Bad selbst war eine große Wanne aus leuchtendem, goldenen Aufbruch-Material, glatt wie Glas. Darüber befand sich ein Wassertank, über Rohre mit dem Regenwasser gespeist, das durch die Mids herabsickerte.
Lissa riß sich als erste das Kleid herunter und beschäftigte sich unbekümmert mit
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