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Wo die letzten Menschen hausen

Wo die letzten Menschen hausen

Titel: Wo die letzten Menschen hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Chilson
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stand in einem anderen Tunnel, der in weit besserem Zustand war als derjenige, den sie verlassen hatten. Der alte Mann stand mit gefalteten Händen da und lächelte seine Gäste mit schlichter, willkommen heißender Freude an. Viani und Lissa glitten rasch herunter, und Lissa strich ihren Rock glatt. Das Licht hier kam von einer anderen schwachen Leuchte an der Wand. Der alte Mann ergriff sie und ging mit einer Handbewegung durch den Tunnel voran. Trebor hielt sein Schwert bereit.
    Nach kurzer Zeit erreichten sie eine Steinholztür. Dahinter lagen Wohnräume mit Felswänden, von vielen trüben Lampen erleuchtet.
    Trebor und den Mädchen stockte bei dem Reichtum, der von allen Tischen und Regalen glitzerte und schimmerte, der Atem. Hier gab es namenloses Aufbruch-Material in allen Farben, durchscheinend und durchsichtig und leuchtend; hier war Gold, Metalle wie Silber, nur härter und nie dem Verfall ausgesetzt, Metalle purpurn und bläulich und kupfern rot; hier gab es Edelsteine, die Diamanten übertrafen, ohne mehr zu sein als zerbrochene Bruchstücke des klaren, reinen Aufbruch-Kristalls. Hier gab es Stoffe, älter als jede bewohnte Stadt auf Aera, zart wie Spinnengewebe, leuchtend wie die Morgendämmerung, weich wie ein Kuß.
    Die meisten der geborgenen Gegenstände waren Gefäße. Sie waren hoch und schlank wie Vasen; klein und rund; lang und schmal, auf der Seite liegend. Ein Drittel dieser Behälter besaß wahrhaftig Verschlüsse, die ihren Wert mehr als verdoppelten. Tausende von juwelenartigen Verschlüssen lagen zwischen den Gefäßen. Es gab Schüsseln und Schalen und Tabletts wie Blätter oder Blumen; es gab Kochutensilien, durchsichtig wie Luft und federleicht.
    Der gesamte Reichtum der Stadt Amballa war hier in diesen Räumen vereinigt.
    Ihr Gastgeber stand dabei, rieb sich die Hände, lächelte besitzfreudig über ihre Blicke großäugigen Staunens, lachte ab und zu mit der reinen Freude des Vorführens in sich hinein.
    »Eine herrliche Sammlung, nicht wahr, edler Herr, edle Damen? Ein ganzes Leben ist für sie aufgewendet worden.« Er verbeugte sich ruckhaft.
    Trebor erinnerte sich seiner Manieren und verbeugte sich wie vor einem König.
    »Wir sind Euer Gnaden zutiefst zu Dank verpflichtet, zuerst und zuletzt für die Rettung unseres unbeachtlichen Lebens, zweitens und vor allem dafür, daß Ihr uns erlaubt habt, einen solchen Reichtum der Schönheit des Aufbruchs zu sehen.«
    Die Mädchen knicksten der Reihe nach. Lissa sank in die Knie und erhob sich geschmeidig.
    Der Alte verbeugte sich wieder und lachte erfreut in sich hinein.
    »Wie? Wie? Eine wunderbare – eine großartige –, nein, eine unvergleichliche Sammlung der heiligen Aufbruchs-Reliquien. Wie? Ein Lebenswerk – das Werk eines langen Lebens. Und nie ein Stück verkauft, um das große Werk zu fördern! Wie? Niemals ein Stück! Welchem größeren Werk könnte man sein Leben widmen, als der Bewahrung solcher Schönheit? Die Kunst ist länger als jedes Leben. Wie? Wie? Wie?«
    Und wieder verbeugten sie sich alle, so anmutig, als stünden sie im Kristallhof der fabulösen Stadt des Wundersamen Lichtes.
    Trebors Schwert war, obwohl nicht aus der Zeit des Aufbruchs stammend, viele Menschenleben wert, obschon das nicht auffiel, solange es in der Scheide steckte, denn er hatte den Goldknauf mit schwarzem Samt umwickelt. Abgesehen von seinem Schwert besaß die Gruppe nichts von Wert oder Schönheit. Trebor trug das schlichte Dunkelgrün eines amballanischen Edelmanns auf Reisen, ohne Juwelen oder Federn; seine Kleidung war jetzt verschwitzt und mit Schlamm vom Rhomontasonn-Sumpf und Staub von den Middendump-Minen bedeckt, seine Spitzen waren fast verschlissen.
    Viana trug eine eher männliche Kleidung aus enger, langer Hose, langer, weiter Chemise, die über ihre Hüften reichte, und Sandalen, die vor Alter auseinanderfielen – eine Jondrover-Tracht, die sie gegen ihr Kleid im Zelt eingetauscht hatte. Wie ein Mann hielt sie den zerknüllten, breitkrempigen Hut beim Knicksen an die Brust. Ihr schwarzes Haar hing schlangengleich herab. Lissa trug nur ein bis zur Mitte der Oberschenkel reichendes Kleid in tristem Braun, das über den Schultern fast vergilbt war. Es klebte feucht an ihr, der Saum war zerfetzt. Ihre Füße waren nackt und schmutzig. Ihr braunes Pagenkopf-Haar behielt in der Hitze seine Form vorzüglich.
    Der Eremit war so schlicht gekleidet wie Lissa, in ein langes Hemd, das bis zu den Knien reichte. Der Saum war auch zerfetzt. Das

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