Wo die Liebe beginnt
Beleidigung am Schluss lasse ich weg. »Und jetzt gehe ich wohl nicht zum Ball.«
»Oh, tut mir leid, dass es nicht besser ausgegangen ist. Vielleicht kommt sie ja doch noch zur Vernunft.«
»Glaube ich kaum«, sage ich. Die Tragweite des Ganzen wird mir jetzt erst klar. Es geht mir dabei nicht so sehr um den Schulball, der hat ja erst seit Kurzem Gestalt angenommen, sondern eher darum, dass ich vielleicht meine beste Freundin verloren habe. »Hast du dich schon mal so übel mit einer Freundin gestritten?«, frage ich Marian.
»Nein. Aber ich habe mich mit meiner besten Freundin aus der Highschool irgendwie auseinandergelebt. Ohne dass wir uns gestritten hätten.«
»Wie das?«
»Ach, das hatte viele Gründe. Der Hauptgrund ist aber, dass ich nicht ehrlich zu ihr war.«
»Weil du mit mir schwanger warst?«
Sie zögert und bejaht. »Ich glaube, es ist viel besser, unter Freunden so zu handeln wie du. Du hast ganz offen mit ihr geredet.«
»Ja, aber jetzt hasst sie mich.«
»Sie hasst dich nicht. Gib ihr einfach ein bisschen Zeit. Vielleicht kannst du ihr einen Brief schreiben und ihr erklären, dass du ihre Handlung nicht billigen kannst, sie aber trotzdem gern hast und ihr viel Spaà beim Schulball wünschst.«
»Und was soll ich Philip sagen?«
»Ach, den meisten Jungs ist der Schulball ziemlich egal. Du kannst das bestimmt irgendwie wiedergutmachen.«
»Hm«, mache ich. Und dann halte ich es keine Sekunde länger aus, ich muss es ihr einfach sagen. »Ich habe nach ihm gesucht.« Zitternd warte ich auf ihre Erwiderung.
»Nach wem gesucht?«, fragt sie. Diese Reaktion hätte ich mir eigentlich denken können.
»Nach Conrad«, erkläre ich. »Ich habe schon seit meiner Abreise aus New York nach ihm gesucht. Auf Facebook, LinkedIn, Google, sogar auf Schulfreunde-Seiten.«
»Und?«, fragt sie nervös.
»Nichts. Es gibt zwar einen Conrad Knight auf Facebook â er hat kein Profilfoto â, aber er ist es nicht. Ich habe es gemerkt, als er auf meine Freundschaftsanfrage geantwortet hat.«
Ich mache eine kleine Pause und rede dann weiter. »Ich wollte nur von dir wissen ⦠ob du mir vielleicht bei der Suche helfen würdest. Du könntest mir doch ein paar Tipps geben. WeiÃt du zum Beispiel, wie seine Freunde hieÃen?«
»Kirby«, sagt sie, aber ich lasse sie nicht zu Wort kommen.
»Das ist total in Ordnung, wenn du nicht magst. Habâs schon kapiert. Ist wirklich in Ordnungâ¦Â«
»Kirby«, sagt sie noch mal schärfer.
»Was denn?« Ich halte den Atem an und überlege, wie ich weiter vorgehen soll, jetzt, wo ich nicht auf ihre Hilfe zählen kann.
»Ich habe ihn schon gefunden«, sagt sie.
Ich erstarre. Mein Puls rast. »Echt? Wann denn?«
»Gestern Abend.«
»Und wo wohnt er?«
»Immer noch in Chicago. Nur eine halbe Stunde entfernt von dort, wo wir aufgewachsen sind. Ich habe seine Adresse und Telefonnummer.«
»Wie hast du ihn denn gefunden?«, will ich wissen.
»Er steht im Telefonbuch. Er wohnt in Lincoln Park«, sagt sie.
Ich schüttele den Kopf. Wie konnte ich die naheliegendste Möglichkeit bloà übersehen?
»Bist du sicher, dass es der richtige Conrad Knight ist?«, frage ich und stapfe barfuà durch mein Zimmer, über das kalte Parkett.
»Ja«, sagt sie.
»Und wie das?«
»Also ⦠ich habe ihn angerufen. Aus dem Büro. Seine Stimme ist unverändert.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«, frage ich aufgeregt.
»Nein. Ich habe nur den Anrufbeantworter drangehabt. Aber ich habe keine Nachricht hinterlassen.«
»Oh«, sage ich ein bisschen erleichtert. Ich will auf keinen Fall, dass sie irgendwas kaputtmacht. Vielleicht will er ja keinen Kontakt zu mir, weil sie ihn hintergangen hat. Ich muss die Sache perfekt planen. Oder ihn einfach überrumpeln.
»Ich habe mir überlegt ⦠Also, möchtest du ihn mit mir zusammen besuchen?«, fragt Marian.
»In Chicago?« Meint sie das ernst?
»Ja. Das heiÃt, wenn du willst. Du könntest dort auch meine Eltern kennenlernen. Aber vielleicht willst du ihn ja lieber alleine besuchen?«
»Nein, ich will dich dabeihaben«, sage ich und denke an das Foto der beiden. Das ist so lange her. Mein ganzes Leben und das halbe Leben von Marian und Conrad. Ein Schauer läuft mir über den Rücken.
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